Über Antisemitismus
Nach der Lektüre von zwei Untersuchungen zu diesem Thema und angeregt durch biografische Notizen von, bzw.über zwei Nazi-Söhne (Niklas Frank, Horst Wächter), versuche ich – selber Sohn eines Nazis(*), mit einer Mutter, die offenbar bis zu Ihrem Tod in 1999 Nazi und Antisemitin geblieben war – hier eine persönliche Zusammenfassung.
Götz Aly, deutscher Politikwissenschaftler, Historiker und Journalist, beschreibt in seinem Buch „Warum die Deutschen? warum die Juden?“, dass Neid das Hauptmotiv des deutschen Antisemitismus war (Anm.: immer noch ist) und legt auch seine Ursachen dar.
Der Einband seines Buchs ist gelb, die Farbe für Neid, also programmatisch für die Beantwortung der Frage des Titels. Das ist der gelbe Faden, der sich durch die gesamte deutsche Antisemitismus-Geschichte zieht.
… und die ganze Menschheitsgeschichte.
Kain erschlug seinen jüngeren Bruder Abel. „Der HERR schaute auf Abel und seine Gabe, aber auf Kain und seine Gabe schaute er nicht. … (da) erhob sich Kain gegen Abel, seinen Bruder, und tötete ihn.“ Gen 4,1–16
Neid (wie die Rückseite dieses Spiegels: die Gier) gibt es, seit es Menschen gibt. Gewissermassen eine anthropologische Konstante. (Aly fasst zusammen: „Der Neidhammel sucht den Sündenbock.“)
Seit es Juden gibt, scheint es Antisemitismus zu geben, eine durch Neid ganz besondere Erscheinungsform von Fremdenhass. Eine Konstante, die durch religiöse Motive des Christentums eine toxische Grundierung bekam.
Aly: Während in der französischen Revolution die Forderung Égalité (aus der Losung „Liberté, Égalité, Fraternité“) die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz meint (13 Jahre davor war diese Forderung in der Declaration of Independence der [damals 13]Vereinigten Staaten von Amerika … “ niedergelegt) fürchten die Deutschen die Freiheit und neigen zum Egalitarismus. Die Deutschen machten aus dieser Égalité die von Staats wegen zu garantierende materielle Gleichheit, meint eigentlich ‚Gerechtigkeit‘.“
Mein Geschäft mit’Vater Staat‘ besteht darin, dass er für mich sorgt. Vater Staat bekommt dafür meine Freiheit
Je mehr sich die so verstandene Égalité im allgemeinen Bewusstsein verankerte, umso stärker wurde dieser Affekt, den Arnold Zweig treffsicher „Differenzaffekt“nennt.
Aly konzentriert sich in seiner Untersuchung auf die Achsenzeit, den Abschnitt ab Ende des 18.Jahrhunderts. „Die Begriffe ‚Gleichheit, Neid und Freiheitsangst’ermöglichen es, lt.Aly, die Eigenart des deutschen Antisemitismus zu erkennen.“
Man sollte aber, um umfassend zu verstehen und um sich den Wurzeln zu nähern, weiter zurückgehen. Ein Buchgeschenk von Gitta hat mir den Weg bis fast zu den dokumentierten Ursprüngen gezeigt.
Der Judaist, Leibniz-Preisträger und Katholik Peter Schäfer belegt in seiner erst kürzlich verlegten ‚… kurzen Geschichte des Antisemitismus‘ mit vielen Quellenhinweisen: schon in der vorchristlichen Antike gab es Judenhass, Ghettos und Pogrome, doch erst die neutestamentlichen Schriften schufen mit ihrer Gegnerschaft zum Judentum die Voraussetzungen für Ritualmordlegenden und Verfolgungen im christlichen Mittelalter. Menschen jüdischer Konfession lebten schon immer – äusserlich vielleicht durch Kleidung oder Haartracht unterscheidbar – inmitten nichtjüdischer Gemeinschaften. Sie unterschieden sich anfangs (vorchristlich, vorislamisch) durch Anbetung eines einzigen, bild- und namenlosen und in seinem Wesen unbekannten Gottes und bis heute sind Beschneidung, Sabbat und das Verbot, Schweinefleisch zu essen, die exklusiven Identitätsmerkmale gläubiger Juden.
Ein nicht nur kulturelles Merkmal, dessen Wirkung auf die Gesellschaften in deren Mitte Menschen jüdischer Konfession leben, man kaum überschätzen kann, ist, dass die jüdischen Knaben (Achtung: nicht die Mädchen!) immer schon anders als die meisten ihrer christlichen Altersgenossen in aller Regel seit jeher alphabetisiert wurden.
Dazu passt eine Redensart aus meiner Kindheit, an die ich mich erinnere :“Lesen verdirbt die Augen.“
Dagegen heisst es im Talmud, dass man in einer Stadt, in der es keine Schulen gibt, nicht wohnen darf.
Auch das Fragen und Nachfragen gehört offenbar zur spezifisch jüdischen Pädagogik und ist so ein wesentlicher Baustein in der Ausbildung intellektueller Kompetenz.
Abraham hat nicht einfach gehorcht, als Gott beschloss, Lot mit Vernichtung zu bestrafen. Er hat gefragt, ob Gott also auch die Gerechten Lots vernichten will. Gott ist auf die Frage eingegangen.
Welche Frage stellen Christen ihrem Gott? Hat nur Gottes Sohn seinen Gottvater gefragt? War das Fragen und Nachfragen bei uns christlichen Schülern auch so wesentlich? Ich meine mich zu erinnern an Fragen, die zulässig und Fragen, die eher unerwünscht waren und „irgendwie“ in einer Art Vakuum hängenblieben, besonders im Religionsunterricht aber auch in Geschichte (alte und junge Lehrer antworteten unterschiedlich).
Inzwischen ist die Einstellung auch nichtjüdischer Europäer gereift und Bildung und Ausbildung gilt als Voraussetzung für erfolgreiches Erwerbsleben.
Schäfer hat im Rahmen seiner „kurzen (2500 Jahre umfassenden) Geschichte des Antisemitismus“ den Beitrag auch der Deutschen zum Antisemitismus beschrieben.
Und große Deutsche spielen schon vor dem Jahrhundert der Shoah eine schlimme (z.Beispiel Fichte) bis mörderische Rolle (z.B.Luther).
Bei Luther ist es allerdings nicht Neid, sondern Wut: „Der späte Luther: Hass und Aufruf zur Vernichtung“ in Schäfers kurzer Geschichte. Luther benutzt das Relief der Judensau aus dem frühen 14.Jahrhundert an der Wittenberger Pfarrkirche, um in einem mit dem gerade erfundenen Buchdruck schnell verbreiteten Traktat die jüdischen Mitmenschen zu dämonisieren, zu verteufeln und zu entmenschlichen (Motto: nur der christliche ist ein richtiger Mensch).
Warum?
Luther hatte wie schon Paulus 1500 Jahre zuvor die „Mission“, die Juden zum Christentum zu bekehren.
Das misslang.
So wurde aus dem Interessierten der Hasser. Die Hassbotschaft hatte nicht nur mit der buchdruckbedingten grossen Verbreitung eine bis heute nachhaltige Wirkung auf die Deutschen christlicher Konfessionen. Luther ist als „Advokat und Mittler der deutschen Sprache“ sprachgewaltiger Prediger und so auch antisemitischer Propagandist gewesen.
Religiöse Motive bilden nur einen und bis hinein ins 20.Jahrhundert abnehmenden Anteil des Gemischs, das den Motor des Antisemitismus gerade in der deutschen Kulturnation antreibt.
Die bis 1933 in DE ansässigen Juden waren zu > 80 % deutsche Staatsbürger, also Deutsche. Sie verstanden sich als solche und waren nicht selten stolz darauf. Sie kämpften und starben in den Schützengräben im ersten Weltkrieg für ihr deutsches Vaterland.
Da es weder reale phylogenetische, noch phänomenologische Unterschiede gibt, „Rasse“als Begriff seit dem letzten Jahrhundert ausgemustert ist und nicht mal der Ersatzbegriff „Ethnie“ (*) zur Unterscheidung taugt, kann nur noch die Konfession als Unterscheidungsmerkmal gelten … wenn man unbedingt einen Menschen vom anderen unterscheiden will. weil die Juden in Spanien und Portugal eh schon massenweise assimiliert waren.
(*) Gerade in der SZ aus einer Buchrezension herausgefischt.
Laut Benzion Netanjahu, Historiker, revisionistischer Zionist und Vater Benjamin Netanjahus „… kam man am spanischen Hof auf die Idee, die Religion in eine Ethnie umzudefinieren.“
Also Gleichberechtigung der Konfessionen ?
Im letzten vollendeten Jahrhundert haben die Deutschen für ein weiteres Unterscheidungsmerkmal gesorgt, das jüdische von katholischen und evangelischen Deutschen unterscheidet: das Trauma der Schoah. Katholische und evangelische Deutsche ermordeten innerhalb von drei Jahren > 80 % der Europäer jüdischer Konfession im damals deutschen Herrschaftsraum,
sechs Millionen Menschen.
Dieses Wissen braucht Erkenntnis. … ein seltsamer Satz, aber irgendwie passend.
Hubert Fichte machte offenbar eine Entwicklung vom Judenhasser zum Judenskeptiker. In seinem Pamphlet von 1793 schreibt er von den Juden als ein Staat im Staat, der“auf den Hass des ganzen Menschengeschlechts aufgebaut ist“. Wenn sich das anhört wie ein Vorläufer des Heraufbeschwörens der jüdischen Weltverschwörung, dann ist das bestenfalls Zufall, schlimmstenfalls logische Weiterentwicklung. Jahrzehnte später trat er immerhin für die allgemeinen Menschenrechte auch für die jüdischen Mitmenschen ein, verweigerte ihnen aber noch den Anspruch auf Bürgerrechte.
“ … aber ihnen Bürgerrechte zu geben, dazu sehe ich wenigstens kein Mittel als das, in einer Nacht Ihnen alle Köpfe abzuschneiden und andere aufzusetzen, in denen auch nicht eine jüdische Idee sei.“
Das war der Geist des so geistvollen 19.Jahrhunderts im Deutschland der deutschen Romantik, die man mit heutigem aufgeklärten Verstand als verklärten Nationalismus einordnen kann und die in ihren Auswüchsen immer mehr zu Germanomanie entartete … mit den bekannten mörderischen Folgen.
Beim Wartburgfest in 1817 verbrannten Studenten Bücher jüdischer und nicht-antisemitischer christlicher Autoren. Antisemitismus-Verweigerer gab es also … auch im nationalistischen Fieberwahn nach Versailles. So wie es dann auch Bücherverbrennungen gab.
Das Parlament der Paulskirche verabschiedet in 1848 ein Gesetz, in dem „der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte von dem christlichen Glaubensbekenntnis abhängig ist, vorbehaltlich derjenigen Ausnahmen, welche durch besondere Gesetze bestimmt sind“. Positiv verstanden also eine Art „Minimalemanzipation“ für Menschen jüdischer Konfession, die Ihre vollen Bürgerrechte erst mit der Bundesverfassung vom 1. Januar 1871 erhielten.
Immerhin.
Diese also mit dem „Gesetz, betreffend die Gleichberechtigung der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung.“
Frankreich dagegen hat als Konsequenz und in der Folge der Großen Revolution Staat und Kirche getrennt. Die Laïcité wurde in 1830 in einem Gesetz institutionalisiert und die Rabbiner werden seitdem in Frankreich wie die christlichen Kollegen staatlich besoldet. Die Emanzipation war allumfassend und schloss die französischen Bürger jüdischer Religion ein. Dass es in Frankreich weiter Antisemitismus gab (Balzac, ein schlimmer, Victor Hugo ebenso Antisemit, der Fall Louis Dreyfus, ein Fall von vielen) und bis heute gibt, ist bis heute genauso evident wie bei uns und überall in Europa.
In Deutschland – damals in und unmittelbar nach der Achsenzeit Ende des 18.anfangs des 19.Jahrhunderts immer noch nicht EINE Nation, wie Frankreich – stellte immerhin Hegel bereits in 1820 mit seiner Schrift „Grundlinien der Philosophie des Rechts“ den Anspruch der Juden als rechtliche Personen in der bürgerlichen Gesellschaft zu gelten. Viele Deutsche stritten im 19.Jahrhundert für die Rechte der Juden und gegen den Antisemitismus. Eine eher akademische Minderheit.
Aber immerhin.
Ihr Einsatz und Courage sind vom Schatten des späteren Mordens überdeckt.
Auch hervorzuheben: Bismarck trat in 1878 auf dem Berliner Kongress mit Nachdruck für die gesetzliche Gleichberechtigung der Juden in Rumänien, Bulgarien und Serbien ein.
In der deutschen Literatur des 19.Jahrhunderts (z.B.Wilhelm Raabes „Hungerpastor“, Gustav Freytags „Soll und Haben“) spielte der Antisemitismus eine teils verstärkende, teils ambivalente Rolle.
Eine Hauptfigur in Gustav Freytags „Soll und Haben“ – lese ich – ist Veitel Itzig, der den habgierigen Juden verkörpert und im Wortsinn klassisch das antisemitische Klischee bedient wie es bis heute überlebt.
Der christliche Held des Romans hat den positiv assoziierenden Namen Anton Wohlfart. Der jüdische Makler Ehrenthal repräsentiert den durch Geldspekulationen nach materiellem Reichtum strebenden Händler. Veitel Itzig ist sein intriganter Buchhalter.
Freytag hat, heisst es, dieses Klischee ebenso benutzt wie Schriftsteller ihre Figuren bei Gut gegen Böse für Ihre Romane benutzen. Freytag war aber ebensowenig Antisemit wie Ian Fleming Befürworter des Verbrechens seiner Negativfiguren Goldfinger oder Dr.No.
Aly schreibt, Freytag sei bis zu seinem Tod aktiv gegen Antisemitismus gewesen und öffentlich aufgetreten.
Deutsche Schriftsteller des 19.Jahrhunderts waren im Vergleich zu Grössen der ausländischen Literatur bemerkenswerterweise weniger antisemitisch. Zum Beispiel im Vergleich zu Charles Dickens, Bakunin und Dostojewski oder eben auch Balzac und Hugo. Die beiden Frühsozialisten Proudhon und Fourier sollen wie viele Sozialisten und Kommunisten nach ihnen ganz üble Antisemiten gewesen sein.
Warum hat der Antisemitismus ausgerechnet bei uns zu diesem monströsen Auswuchs geführt? Massenmord in Perfektion exekutiert, befehligt von z.T.hochgebildeten, intelligenten Männern, begleitet und unterstützt von ebenso gebildeten, kulivierten Frauen. Solche saßen abends in der Oper und schluchzten bei Rührszenen und wurden am nächsten Tag auf Raubzüge in polnische Ghettos chauffiert.
Der britische Völkerrechtsexperte und Jurist Philippe Sands ist wohl ebenso fasziniert und beunruhigt. Das belegt sein Buch ‚Rattenlinie‘, in dem die berüchtigte Fluchtroute der Nazis eher eine Hilfshandlung ist.
Eigentlich eine Geschichte der Familie von Wächter. Otto von Wächter war Gouverneur erst des Distrikts Krakau, zuletzt des Distrikts Galizien und verantwortlich für Ghettoisierungen, Massenerschiessungen, Auschwitz (als Krakau-Chef.
„Die Juden werden in zunehmender Zahl deportiert, und es ist schwierig, Pulver für den Tennisplatz zu bekommen“schreibt Obergruppenführer Otto Wächter in einem Brief an seine Frau (August 1942).
Ein bemerkenswertes, symptomatisches Zitat.
Wächter kommt auch in Niklas Franks ‚Vater’vor.
Wir, ich meine, die Generation, der ich angehöre, leben alle mehr oder weniger im Schatten unserer Täter-, Mitläufer- oder Zeitgenossen-Eltern.
Meine Frage nach dem ‚Warum‘ wird wohl nicht restlos beantwortet werden können.
Neid jedenfalls reicht nicht als Antwort für derartige Mordlust oder Kadavergehorsam. Religiöse Verblendung auch nicht.
Blick in eine Art Schwarzes Loch.
Vielleicht eine Art Psychopathie?
Der britische Arzt James Cowles Prichard hat dafür den Begriff ‚Moral Insanity‘ eingeführt.
[Philosophisches Wörterbuch 18 Auflage Alfred Kröner Verlag Stuttgart 1969]
Das wär’doch ein Trost.
Also, eine Art Krankheit, wahrscheinlich unheilbar … und dann mildernde Umstände?
Oder?
Verremos …
Aus aktuellem Anlass des erneuten Gewaltausbruchs in Gaza und Israel schiebe ich hier noch ein paar Gedanken zum Verhältnis der Muslime zu den Juden nach.
Historisch:
Anders als die Christen haben die Muslime keine Antisemitismus-Geschichte.
Mohammed war mit seinen Anhängern aus Mekka nach Medina ‚ausgewandert‘. Dort entstand die erste islamische Verfassung.
Darin :
Die Juden haben ihre Religion und die Muslime ihre, eine Art Koexistenz – das blieb bis zur Entstehung Israels unverändert.
Auch bemerkenswert der Rückblick in die Geschichte gerade heute: die Perser, also Iraner, waren in der vorislamischen Zeit Unterstützer der Juden.
Wenn Gruppen und Stämme in Arabien von Mohammeds Anhängern bekämpft wurden, dann war das Ergebnis eines der Machtverteilung, nicht primär der Religionszugehörigkeit.
Mohammed hatte auch den gegnerischen polytheistischen Teil seines eigenen Stamms (Quraish) grausam und auch erfolgreich bekämpft.
Ablehnung und Verunglimpfung des Judentums durch die Muslime erklärte sich also, wo sie aufkam durch die jeweilige politische Gemengelage.
Im Koran werden irregeleitete Juden sowie irregeleitete Christen verunglimpft, aber rechtgeleitete gläubige Juden und Christen – also monotheistisch Gläubige aller Konfessionen positiv erwähnt, weil sie, als Rechtgeleitete, abrahamitisch den einen Gott anbeten.
So steht’s in der Sure 7.
Abgrenzung vom Judentum gab und gibt es auch heute im sozialen, nicht im theologischen Sinn.
Aber keine Ausgrenzung, keine scharfe Trennlinie, Mischehen zwischen Muslimen und Juden waren unproblematisch.
Muslime, überzeugt von der Überlegenheit ihrer Religion, hatten keine Angst vor judaisierenden Einflüssen, wie sie die Christen hatten.
Dagegen war das Judentum der ‚ewige Stachel im Fleisch der Christentums‘.
Übertritte zu den anderen Religionen fürchteten Muslime nicht.
Schäfer belegt, dass Juden nie, wie von den Christen in der Spätantike und mehr noch im Mittelalter, von Muslimen ausgegrenzt und verfolgt wurden.
Entscheidend für die Rechtssicherheit der Juden inmitten muslimischer Gesellschaften waren immer die nie willkürlich festgelegten Steuern.
Die Rechtslage der Juden und Christen unterschied sich in muslimischen Herrschaftsgebieten in positiver Weise von der Rechtslage der Juden in christlichen Gesellschaften fundamental durch die gesamte Geschichte bis heute.
Vor 1000 Jahren hätte ich als wohl gläubiger Christ oder Jude in einer muslimisch verfassten Gemeinschaft sicherer gelebt als in einer christlich verfassten.
Wie das Beispiel des laizistisch verfassten Frankreichs zeigt, ist man auch als agnostischer Bürger jüdischer Herkunft nicht sicher.
Und Ursachen antisemitischer Manifestationen von Bürgern, auch deutschen, islamischer Konfession sind daher wohl auf Unbildung und Ignoranz zurückzuführen und sind nicht antisemitisch, sondern anti-israelisch.
Ein Unterschied, den nicht nur wohlmeinende deutsche Journalisten vernachlässigen.
Die Lektüre Schäfers ‚kurzer Geschichte des Antisemitismus’hat mir sehr geholfen.
es gibt noch soviel dazu zu lesen, zu hören und zu erfahren, weil das Phänomen (oder besser vielleicht das“Menschheitssyndrom“) soviel über Menschen offenbart (z.B., diffuse Gefühle zählen mehr als rationale Argumente).
Ein Kommentar
Brigitta Marg-Schöne
Lieber Axel, erst heute habe ich deinen Text zum Thema Antisemitismus zu Ende gelesen. Ich bin beeindruckt, wie ausführlich und unterschiedlich du an dieses komplexe Thema herangegangen bist. Besonders interessant finde ich deinen Blick auf das
Europäische Judentum und auf das laizistische Frankreich. Ich kann nicht wirklich etwas dazu beitragen. Es fehlt mir das nötige Wissen. Aber: das Thema interessiert mich
nachhaltig. Und ich danke dir ausdrücklich.
Auch deine anderen Beiträge werde ich mit Vergnügen lesen. Herzlichst Gitta
P.S. Da ich keinen guten Speicher habe, werde ich auch den obigen Text immer mal wieder lesen….