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Freie Staaten wählen ihre Bündnispartner

Die zuletzt am 30.März 2022 bei ARD-Maischberger erlebte Unterhaltung von Röttgen und Lafontaine und die Äußerungen von Lafontaine dort haben mich heute zu diesem Blog geradezu „getreten“:

Es ist ärgerlich … daß sogar jetzt und immer noch eigentlich intelligente und auch verdiente Politiker das „Kreml-Narrativ“unterstützen, daß nämlich (1) die NATO Russland bedroht und (2) der „Westen“damit durch die NATO-Erweiterung „über die Elbe“hinweg wortbrüchig geworden sei. Bei so vielen ostdeutschen NATO-feindlichen Russland-Appeasern stelle ich mir inzwischen die Frage, ob das epigenetisch im „homo dede-erlis“angelegt ist.

Was soll man zum Beispiel von diesem Statement des Alterspräsidenten der Linken Hans Modrow halten: „Die Frage, wie weit der Krieg in der Ukraine nun ein Einmarsch russischer Truppen ist oder sich als ein innerer Bürgerkrieg der Kräfte in den neuen Ost-Staaten und faschistischen Elementen im Westen der Ukraine darstellt, steht im Raum.“

Es ist ärgerlich, daß diese eigentlich intelligenten und auch verdienten Politiker außer acht lassen, daß der von Rußland selbst immer wieder eingeforderte Respekt vor der Souveränität souveräner Staaten nur selektiv anerkannt wird. Und somit auch nicht das Recht auf freie Bündniswahl. 
Das ist ein Symptom der Renaissance von Interessensphären!

Es ist ärgerlich, daß diese eigentlich intelligenten und auch verdienten Politiker die Umkehrung der Feststellung der Bedrohung wessen durch wen übernehmen. Die Ukraine bedroht Rußland? Die NATO bedroht Rußland?
Lächerlich, wenn’s nicht zu solchen Konsequenzen führte.

Nuklear bestückte Iskander-Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern sind seit Anfang 2018 im russischen Kaliningrad stationiert

Sie können Berlin, Warschau und Kopenhagen erreichen.

Wer bitte, bedroht wen?

 

Obwohl mit dem Postulat “freie Staaten beanspruchen Souveränität, Bündnisfreiheit und das Recht Ihre territoriale Integrität zu verteidigen“alles gesagt ist, habe ich zum Thema „Wortbruch der NATO“ einige Protokollnotizen gesammelt.

 

[Quellen: MDR, DIE WELT, SZ, Die Zeit, ZDF und NZZ]

Das klarste und propagandistisch schlagkräftigste Beweisstück für den angeblichen Wortbruch sieht der Kreml in den Gesprächen zwischen dem amerikanischen Aussenminister James Baker und Gorbatschow am 9. Februar 1990.

Im Falle einer Wiedervereinigung Deutschlands und seiner weiteren Zugehörigkeit zur Nato, so wird Baker zitiert, würde die Rechtshoheit der Nato «nicht einen Zoll nach Osten» ausgedehnt.

Mit «Osten» war allerdings das Territorium der DDR gemeint.

Baker wörtlich protokolliert : … bei den Zwei-plus-vier-Verhandlungen wurde über die Nato ausschließlich im Zusammenhang mit der DDR gesprochen.“

Genscher-Memoiren:
Bei den Gesprächen sei es nicht um irgendwelche Garantien für die Sowjetunion gegangen, sondern um ein «Abtasten» im Vorfeld von eigentlichen Verhandlungen.

Präsident George H.W.Bush hatte Bundeskanzler Helmut Kohl aufgefordert, Diskussionen über eine hypothetische Nato-Ausdehnung über die DDR hinaus zu unterlassen.

Gorbatschow in 2014:

Im Oktober 2014 bekannte er sich schliesslich gegenüber der russischen Zeitung «Kommersant» zur historischen Wahrheit: «Über das Thema Nato-Expansion wurde überhaupt nicht diskutiert, und es wurde in diesen Jahren [1990/91] nicht aufgeworfen. Nicht ein einziges osteuropäisches Land hat diese Frage angesprochen. Westliche Führer haben sie auch nicht aufgebracht.»

Einschub: die Beschäftigung des neu geschaffenen Staatswesens „Russische Föderation“ in den 1990er Staaten mit sich selbst öffnete den „Ostblock-Staaten“die Tür zur Selbstbefreiung – erst sehr viel später auch die Mitgliedschaft der NATO.

Im Vertrauen darauf, daß sich keiner der Teilnehmer an die Details der Gespräche in 1990 erinnert und Einspruch erheben würde, sagte Putin anläßlich der Münchner Sicherheitskonferenz in 2007:

«Ich möchte die Rede des Nato-Generalsekretärs [Manfred] Wörner am 17. Mai 1990 in Brüssel zitieren. Er sagte damals, die Tatsache, dass sie bereit seien, keine Nato-Armee ausserhalb deutschen Territoriums zu stationieren, gebe der Sowjetunion eine feste Sicherheitsgarantie

Putin zitierte damals aus einem Zusammenhang, ohne diesen Zusammenhang zu beschreiben:
Wörner sprach nur von der Bereitschaft des westlichen Bündnisses, Nato-Truppen nicht über das «Gebiet der Bundesrepublik» hinaus zu stationieren. Wörner bezog sich also nicht auf eine mögliche Erweiterung der Nato jenseits der DDR. Es ging Wörner in 1990 um die Frage eines möglichen Sonderstatus des östlichen Teils des vereinten Deutschland in der Nato für eine Übergangszeit. Das geht klar aus den Protokollen von damals hervor. Putin weiß das. Er hat es unterschlagen.

Der aussenpolitische Berater Kohls, Horst Teltschik, hat 1989/90 an allen Gesprächen des Kanzlers mit Bush, Baker, dem französischen Präsidenten François Mitterrand, der britischen Premierministerin Margaret Thatcher und Gorbatschow sowie an diversen Gipfeltreffen von Nato und EU teilgenommen.

Teltschik: «Zu keinem Zeitpunkt war die Rede von einer Erweiterung der Nato über Deutschland hinaus. Es wurde nur über den Übergangsstatus der ehemaligen DDR und Berlins verhandelt, solange sowjetische Truppen in der DDR stationiert waren.»

Russland war 1994 der ,Partnerschaft für den Frieden’ beigetreten.
Der US-Außenminister Warren Christopher sagte aus diesem Anlass: „Alle Mitglieder dieser Partnerschaft sind potenzielle Mitglieder der Nato.“ Mitglieder dieses Programms waren neben Russland übrigens auch Polen und die drei baltischen Staaten.

Putin im Interview mit der BBC in 2000 :
„Russland muss allerdings als gleichberechtigter Partner anerkannt werden.“

Zum Thema im Zwei-plus-vier-Vertrag vom 12. September 1990: «Ausländische Streitkräfte und Atomwaffen oder deren Träger werden in diesem Teil Deutschlands weder stationiert noch dorthin verlegt.» That’s it!

James Baker erinnert sich an die Diskussion im Konferenzraum des Weißen Hauses. „Wir stellen Gorbatschow die Frage: Glauben Sie, dass jedes Land wählen darf, welchem Sicherheitsbündnis es sich anschließen will? Gorbatschow antwortete: Ja, natürlich.“

Ignaz Lozo, der Biograf Gorbatschows, über die Nato-Osterweiterung:

„Wenn jemand wortbrüchig geworden ist, dann Wladimir Putin.“

Michail Gorbatschow hat der Darstellung widersprochen, ihm sei in Gesprächen über die deutsche Vereinigung ein Verzicht auf eine Ost-Erweiterung der Nato zugesagt worden. (SZ in 2014). Gorbatschow  wiederholt das im Interview mit der Novaja Gaseta in 2019.

Update am 07.April 2022; Zitat aus The Economist: 

Kaja Kallas, Estlands Premierministerin: 

„Russia’s war against Ukraine has made it once again crystal-clear why countries in central and eastern Europe, after breaking free from Soviet occupation, quickly asked to join NATO. The alliance doesn’t exist to threaten Russia: it is for defence. It exists to keep tens of millions from being enslaved and slaughtered by dictators. And it is the actions of the Soviet Union, and later Russia, that explain why so many countries wanted to join NATO. Those blaming it for “expansion and “escalation” succumb to the very imperial ideology and language pursued by the Kremlin. These run counter to the principles of state sovereignty and democracy.

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