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Debatte „Schwere Waffen“

Erstaunlich, wieviel Energie nicht erst seit Veröffentlichung des EMMA-Briefs für diesen Begriff verbraucht wird. Sind die 5000 Helme, die die BMVg Lambrecht im Februar zur Unterstützung an die Ukraine geschickt hatte, bereits die Aufgabe unserer Neutralität gewesen oder sind es nun die sieben Panzerhaubitzen und andere sog.schwere Waffen? Ich wiederhole, daß wir bei einem derartigen Aggressionsakt bereits ab dem Moment, in dem diese Aggression manifest wurde, nicht mehr neutral sein konnten und daß Waffen – egal, ob Helme oder Haubitzen, leichte oder schwere – in dem Moment nur noch nach „defensiv“und „offensiv“unterschieden werden.

BMWi Habeck dazu aktuell in Die Zeit: „Ein Land, das Selbstverteidigungsrechte ausübt, darf unterstützt werden.“ .Gestritten zum Thema wurde weiterhin auch bei Marcus Lanz (Golineh Atai, Wolfgang Merkel, Hubertus Heil, Matthias Horx) – wie schon zwei Tage davor (mit Jana Puglierin, W.Merkels Bruder Reinhard und Mitunterzeichner des EMMA-Briefs, Kevin Kühnert, Robin Alexander). Hierzu paßt Habecks Mahnung in Die Zeit: „… wir tun gut daran, uns mal wieder zuzuhören, ausreden zu lassen, das Argument nachzuvollziehen.“

Frau Atai, ARD-Korrespondentin und Rußlandexpertin, erinnerte daran, daß sie und ihre Kolleg*Innen schon seit vielen Jahren über die autoritäre Regierung Rußlands, die dortigen Medien bis vor kurzem in der Mehrheit, inzwischen ausnahmslos, Propagandamaschinen, berichteten und in der bundesrepublikanischen Politik und Wirtschaft keiner auf die Warnungen hören wollte. Auch nach 2014.
Das Maidan-Ereignis (2012/13) war bereits „Urknall des Postfaktischen“(Atai); danach blühten die Pegidas, Querdenker-Gewächse erst richtig.

Auch die Morde an Litwinenko (London, 2006) und Changoschwili („Tiergarten-Mord“2019) – von den Morden in Rußland (Politkowskaja auch in 2006, Nemzow in 2015 u.v.a.m.) ganz abgesehen – konnten an der Wegschauhaltung der GroKo und besonders der deutschen Wirtschaft nichts ändern. Die Mordversuche (Skripal und Tochter, Navalny) auch nicht.
Ich hatte – in den ersten Putin-Jahren noch auf das Neue, demokratische Rußland gesetzt – nach der Ermordung Politkowskajas und der Lektüre von „Der Mann ohne Gesicht“von Masha Gessen, mit dem Rückblättern bis 1998 (Ermordung Galina Starowoitowas, der Vorsitzenden der Bewegung „Demokratisches Russland“) begonnen, die Blutspur zu Putin aufzuschreiben … 

 

Zur Anerkennung der Realität gehört aber auch, dass die Ukraine mit diesem Putin ein Ende dieser entsetzlichen Aggression verhandeln muss. … Es muß (…) eine diplomatische Lösung geben, „bei der die Ukraine selbstbestimmt und souverän über ihre Zukunft bestimmt“ (Habeck in Die Zeit). Putin muß allerdings motiviert werden, so zu verhandeln, dass das Ergebnis für die Ukraine mehr wird als die Fortsetzung dieses Konflikts in eingefrorenem Zustand. Die „militärische Kampagne“muß also so schlecht laufen, dass Putin nach einem gesichtswahrenden Ausgang sucht (=exit ramp).

Vielleicht nähern wir uns diesem Etappenziel. In der Washington Post meint David Ignatius heute: „Putin must be looking at exit ramp„. Dort wird der britische Defense Secretary Wallace zitiert:

  • „15,000 Russians have been killed, 2,000 armored vehicles destroyed, and 60 helicopters and jet fighters downed. Russia’s massive invasion army of 120 battalions has suffered a 25 percent loss in combat strength, Wallace said (based on Mediazone, a Russian independent media group). 

  • The economic strangulation is only beginning.

  • Tank production at two Russian plants has stopped because of lack of foreign parts.

  • Russian sources of income are slowly evaporating.  50,000 to 70,000 computer specialists have fled the country, Russian tech group reporting.

  • The official predicted that Russia’s economy will contract this year by 8.5 percent to 15 percent.

Allerdings sollten – wie offenbar geschehen (Tom Friedman/NYT) –  nicht mit US-Geheimdienstinformationen geprahlt werden, durch die die Ukraine dazu befähigt wurde und wird, den russischen Streitkräften kritische Schläge (z.B.Ausschaltung einige ihrer Generäle, Versenkung der Moskwa) beizubringen. Das ist dann keine „exit ramp“ mehr, sondern eine Provokation mit potenziell unkalkulierbaren Konsequenzen.

 

Hier noch eine Mahnung (Washington Post):
Superpowers sometimes lose ill-considered wars. That happened to the United States in Vietnam and Afghanistan, and it might be Russia’s fate in Ukraine. The exit ramp surely must look more attractive to Putin now than it did several months ago.“

P.S.: den Aufruf/Offenen Brief (Fücks, Herta Müller, Max Biller und mehrere tausend andere) in Die Zeit habe ich unterschrieben.

https://www.change.org/p/die-sache-der-ukraine-ist-auch-unsere-sache utm_source=share_petition&utm_medium=custom_url&recruited_by_id=835568b0-caa5-11ec-a137-77c2dc6ca625

 

2 Kommentare

  • Jule

    Lieber Axel, endlich finde ich die Zeit und eine passende Gelegenheit, mich an Deinem Blog zu beteiligen. Ich habe den „anderen Brief“ unterschrieben.
    Ich frage mich nämlich, an welchem Punkt in der Aufrüstungsspirale finden dann die Kriegsparteien den Weg an den Verhandlungstisch?
    Zu den deutschen Panzerlieferungen habe ich mit jemandem gesprochen, der selbst mal in einem Panzer gesessen hat (und Komandat war). Dabei habe ich erfahren, dass, nach allgemeiner Auffassung, ein Panzer eine offensive Waffe ist. Ein Panzer muss in Bewegung sein, bewegt sich im Verbund und kennt nur eine Richtung: vorwärts. Andernfalls ist der Panzer ein „leichtes“ Ziel für den Gegner.
    Viele Grüße von Jule

    • Absalom

      Hallo, Jule, ich habe mich sehr gefreut, daß Du Zeit gefunden hast, den blog zu lesen. Zu Deiner Feststellung zu“offensiv/defensiv“möchte ich wiederholen: in Händen des Aggressors=Angreifers sind Waffen – egal, welche – offensiv; in Händen des Angegriffenen sind dieselben Waffen – egal, welche – defensiv.

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