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Melnyk hat recht

RND veröffentlichte in dieser Woche ein Interview mit dem Historiker Dr.Kai Struve. Das Interview fischt m.E.etwas „im Trüben“. Nach der Lektüre von Andreas Kappelers „Ungleiche Brüder“ (die „Brüder“sind die Russen und die Ukrainer) sehe ich die Äusserung Melnyks klarer und datengestützter und habe deswegen diesen „Leserbrief“an das Redaktionsnetzwerk Deutschland geschrieben:

Bandera war Mitglied der Organisation ukrainischer Nationalisten (OUN)und wurde noch in 1941 von den Deutschen verhaftet. Er verbrachte bis 1944 im deutschen KZ Sachsenhausen. Die UPA (Ukrainische Aufstandsarmee)war als radikalisierter Teil aus der OUN hervorgegangen, als Bandera bereits im KZ war. Anführer der UPA war Roman Šuchevicz.

Die Wannsee-Konferenz fand am 20.Januar 1942 statt. Bandera konnte am Holocaust also nur als Drahtzieher aus seiner KZ-Zelle beteiligt gewesen sein. Dafür gibt es keine Hinweise, dafür aber Spekulationen. 

Melnyk kann also erstmal nicht widerlegt werden, wenn er behauptet, dass Bandera kein Massenmörder von Juden und Polen war. Er war sicher ein Terrorist und hat als solcher wahrscheinlich gemordet – selbst oder per Befehl. 

Als Führer der israelischen Terrororganistation Irgun (auf deren Konto der Anschlag auf das King David Hotel in Tel Aviv in 1946 und das Deir Yassin-Massaker an Palästinensern in 1948 geht)war der spätere Premier Israels, Menachem Begin, an der Vertreibung der Briten aus Israel erfolgreicher als Bandera gegen die Besatzer – erst die Deutschen, dann die Russen. 

Es gibt weitere Terroristenbiografien im 20.Jahrhundert, die zu politischen Führungspersönlichkeiten wurden.

Bandera wurde von den Nazis benutzt. Die Russen versuchten das nach 1945 auch. Sie hatten keinen Erfolg. Bandera wollte – wie schon 1940/41 unter deutscher Besatzung – die Ukraine souverän, war also ein erbitterter Gegner der Sowjets und in 1959 in München vom KGB ermordet worden.

Dass Melnyk wegen seiner ganz und gar nicht umstrittenen Äusserung als Botschafter nach Kiew zurückgeholt wird, ist wahrscheinlich keine „Strafversetzung“, sondern Taktik. Ukrainer kennen ihre Geschichte. Für uns Deutsche ist die Ukraine als Nation offenbar erst seit dem 24.Februar bekannt.

Wenn Melnyk mit seinen Forderungen seit Februar an sein Gastland nach schweren Waffen erfolgreicher gewesen wäre, hätte die Ukraine ihr Territorium erfolgreich verteidigen können und das russische Militär schon in Sjewjerodonezk stoppen können. Nach dem auch Slovyansk verloren gegangen ist, sieht es jetzt noch schlechter aus.

So ist viel Zeit, viel Territorium, viel teure Infrastruktur und sind viele Menschenleben verloren gegangen.

Ergänzung von Historiker Kasianow im Interview mit Die Zeit vom 27,Juli: 
Er (Bandera) war ein untalentierter, willensstarker (eine eher unangenehme Kombination, finde ich) Fanatiker, der ungeschickt intrigierte und einen Kult um sich aufbaute. Er hat eigenhändig niemanden umgebraucht. Allerdings organisierte er Morde an Polen und Ukrainern. Im Grunde … ein Verlierer: er kollaborierte mit den Nazis, um die Ukraine unabhängig zu machen, doch das führte zu nichts als Gräueln. Er saß zehn Jahre im Gefängnis und verpaßte alle großen Ereignisse seiner Bewegung. Er ist weder ein großer Revolutionär noch ein großer Dämon. Die Leidenschaften, die er auf sich zieht, wären lächerlich, würden sie nicht immer wieder das Ansehen der Ukraine beeinträchtigen. Es ist schade, dass jeder Deutsche den Namen Bandera zu kennen scheint, aber kaum einer weiß, dass in Yad Vashem mehr als 2.600 Ukrainer als Gerechte unter den Völkern geehrt werden, weil sie Juden gerettet haben,“

Ich weiß noch nicht einmal, wievielen Deutsche diese Ehre zuteil wurde …

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