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Mein Kommentar zu Joshua Cohens „Die Netanyahus“

Dass Benyamin ‚Bibi‘ Netanyahu seit den 90ern in Israel erfolgreich Politik macht und inzwischen – mit wenigen Unterbrechungen in der Opposition, als Aussen- oder Finanzminister, und sonst der am längsten amtierende Premier Israels ist, muss einen bekennenden Freund Israels, bzw.seiner Bürger, frustrieren. Der Netanyahu kann gut mit Trump und Putin und ist ein in der Wolle gefärbter Revisionszionist. 

Über Netanyahus ideologische Herkunft hat Dominique Vidal in Le Monde Diplomatique bereits in 1996 in einem ausführlichen Artikel „Netanjahu und die Zionisten-Revisionisten“referiert.

Benyamin Netanyahus Vater Ben-Zion war Professor für jüdische Geschichte und renommierter Kenner der spanischen Inquisition und vor allem Privatsekretär von Wladimir (Zeev) Jabotinsky, dem Gründer der sogenannten Revisionisten, einer besonders reaktionären Fraktion der zionistischen Bewegung.

In Jabotinskys  Denken finden sich starke Züge von Rassismus, vor allem in seiner Novelle „Samson“, in der jede „Vermischung“ von Juden und Nichtjuden abgelehnt wird. Also ein entschiedener Gegner jeder Form der Assimilation und so auch der Diaspora. Auch Ben Gurion fiel zu Jabotinsky selten Gutes ein. 

Faschistoides und Rassenideologisches in Jabotinskys Schriften, Reden und Äußerungen waren so deutlich, dass Ben Gurion ihn „Wladimir Hitler“ nannte und von den Nazis als den „deutschen Revisionisten“ sprach. Der erste Ministerpräsident Israels bemerkte sogar einmal über einen Artikel Hitlers: „Das hätte von Jabotinsky sein können: die gleichen Begriffe, der gleiche Stil, der gleiche Geist.“

Sohn Benyamin wurde von Vater Ben-Zion Netanyahu im Geiste Jabotinskys erzogen – kein Wunder, daß er sich an der Vergangenheit, an den Ursprüngen der jüdischen extremen Rechten orientiert.

Benyamin Netanyahu ist sicher auch ein politisches Naturtalent.  Wes Geistes Kind dieser Netanyahu, besser: wessen Vaters Sohn er ist, wird jetzt in dieser israelischen „Verfassungskrise“und durch die Wahl seiner Koalitionspartner offenbar. „Verfassungskrise“ in Anführungszeichen, weil Israels 1-Kammer-Legislative die Herstellung einer Verfassung oder eines Grundgesetzes von Anfang an verhindern konnte. Eine solche Verfassung würde dem Parlament ganz im Sinne von demokratischer Gewaltenteilung Grenzen setzen. Bleibt in Israel nur noch das Oberste Gericht, das als Dritte Gewalt bisher Schlimmeres verhindern konnte. Diese letzte judikative Gewalt will der aktuelle Netanyahu mit seiner rechtsextremistischen Koalition nun auch noch kastrieren.

Zur Entspannung bei diesen gerade eher unangenehm spannenden Vorgängen in Israel mit seinen desaströsen Auswirkungen auf die ganze Region empfehle ich Joshua Cohens Roman ‚Die Netanyahus‘. 

Obgleich Titel bildend, kommen die Netanyahus wie der weisse Wal in Moby Dick erst im letzten Drittel vor. Da fällt dann die Netanyahu-Familie über die Familie des Erzählers Ruben Blums her. Cohen, der von Maxim Biller schon als Erbe Philip Roths gehandelt wird, schreibt in Slapstick-Manier, satirisch bis sarkastisch. 

Hier wird diese chaotisch-rücksichtlose Familie im Rahmen eines Romans, also scheinbar fiktiv, vorgeführt. Bis zum Auftritt der Netanyahus beschreibt Cohen sehr geistreich und unterhaltsam die Familie Ruben Blums. 

Mit der Figur des Geschichtsprofessors Blum setzt er dem 2019 – ein Jahr vor Entstehung dieses „Romans“ – im Alter von 89 Jahren gestorbenen, von Cohen (42) so verehrten Literaturwissenschaftler Harold Bloom ein Denkmal. 

In diesem Teil ist „Die Netanyahus“ein Schlüsselroman.

Mit ‚Die Netanyahus‘ habe ich auch Historisches über die spanische Inquisition, wenn auch in den (manipulativen)Folgerungen des Historikers Benzion Netanyahu, Benyamins Vater, kennengelernt. Die furchtbare Geschichte der im 15.Jahrhundert in Iberien (Spanien und Portugal)zum Christentum (zwangs-)konvertierten Juden, den Conversos (oder schlimmer ‚Marranos‘), ist die Grundlage Ben-Zions Ideologie: 

„Löscht die Diaspora aus, oder die Diaspora wird euch auslöschen.“ 

Der Roman-Blum aber, Professor der amerikanischen Geschichte, der zurückblickt auf die Zeit zwischen September 1959 und Januar 1960, ist Jude, aber erst einmal Amerikaner, assimiliert, ohne religiöse Ambitionen.

Ingo Herzke hat „Die Netanyahus“gekonnt in eine deutsche Version übertragen. 

Cohens Sprachwitz ist allerdings kaum übersetzbar: für „they contain their hilarity like a bathroom need“ würde ich sagen (ich sollte es besser lassen …), „sie beherrschen ihre Heiterkeit wie den Harndrang – also den Drang zur Toilette“ (sehr frei übersetzt). KI-Übersetzer machen daraus jedenfalls erbärmlichen „Hash“.

Er hat Cohens Kreationen mit dem besonderen Wortwitz und typischen Amerikanismen (einschließlich American-Football-/Baseball-Begriffen) „bestmöglich“ gemeistert. 

Sehr lesbar und auch aufklärend.