Zu spät für Entwöhnung – Zeit, sich auf ein ganz anderes Leben vorzubereiten
René Passet, Ökonom und Mitglied des Club of Rome, vertritt die Position, dass die Ökonomie ein Teil der Ökologie ist.
In L’Economique et le Vivant (1979), also vor 44 Jahren, erklärt Passet: De facto ist die Wirtschaftssphäre nur ein Subsystem des menschlichen Systems, das wiederum nur ein Subsystem der Biosphäre ist.“
[„En fait, la sphère économique n’est qu’un sous-système du système humain qui n’est lui-même qu’un sous-système de la biosphère.“] Ich hatte als FDP-Mitglied in 1979 das Vorwort übersetzt und meinem Programmvorschlag vorangestellt. Ich schlug vor, eine „grüne Leitplanke“in das Programm einzufügen.
Ganz schön naiv.
Mein Vorschlag hat die Ebene der Ortsgruppe nicht verlassen.
Ich bin 1982 aus der FDP ausgetreten.
Der Meteorologe Bjorn Stevens, Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, wurde heute (08.Sept.2023) in der Zeit zitiert:
„Wir benötigen Werkzeuge, die Menschen befähigen, sich wieder als Teil dieser Welt zu sehen und nicht als Individuen.“ Ich freue mich natürlich über solche Zitate.
Leider werden solche Zitate durch das Beiwort „philosophisch“immer noch auf die Ebene des Abgehobenen verschoben, als bestenfalls „interessant, aber eher theoretisch“.
Das Gegenteil ist der Fall.
Es impliziert uns, erst recht, seitdem das Anthropozän von uns eingeläutet wurde, als ein Teil, wenn auch durch carbon footprint mal acht milliarden ein Übermächtiger, der Biosphäre. Das ist ja auch ein Eingeständnis der Macht, mit der jetzt noch mehr Verantwortung für das Ganze, also für die Biosphäre, einhergeht.
In der Konsequenz dieser Überzeugung war ich auch damals schon irritiert, wenn die Politik sich zum Vertreter der Kläger über zu hohe Kraftstoff- und Strompreise machten. Ich war damals der Überzeugung, man müsse damit beginnen, den Menschen das Verbrennen fossiler Brennstoffen über den Preis abzugewöhnen und sie an Praktiken heranzuführen, den Verbrauch von Energie langsam aber sicher zu minimieren.
Ja, Kraftstoffe sind seitdem immer teurer geworden. Immerhin.
Die steigenden Kosten wurden allerdings durch effizientere Motoren, aerodynamisch gebaute Automobile (und immer mehr davon – siehe Geschichte der Verkehrsstaus und der Städte, die für den Autoverkehr bis in die letzten Jahre gebaut, eigentlich den Besitz eigener Autos obsolet gemacht haben) und steigende Einkommen kompensiert.
Eine Entwöhnung hat nicht stattgefunden.
PolitikerInnen, die eine Verteuerung des Autofahrens in den 90ern propagierten, wurden der Großinquisition der Medien überantwortet.
Heinrich von Lersner (FDP) dessen Vorfahr Götz von Berlichingen ist – honni soit qui mal y pense -, hat das UBA (Umweltbundesamt) bis zu seiner Pensionierung in 1995 21 Jahre lang geleitet. Als würdiger Nachfahre des Ritters Götz hatte sich von Lersner was getraut und sich in die Öko-Debatte bereits 1992 (vor mehr als 30 Jahren!) in einem Interview eingemischt und diesen Satz gesagt:
„Es wird wahrscheinlich, wie es bei Prognosen so ist, nicht genau zu fixieren sein, ob der entscheidende Preis bei 2,50 Mark oder 5 Mark für den Liter Benzin liegen muss. Ich denke aber schon, dass es in diese Größenordnung gehen muss.“(SPIEGEL)
Zur Zeit dieses Zitats zahlte ich DM 1,50/l.
Als Die Grünen 1998 auf ihrem Parteitag in Magdeburg beschlossen, den Spritpreis mehr als zu verdreifachen (auf etwa DM 5/l), ging ein Aufschrei durch die deutsche Nation. Die Medien wirkten wie üblich – auch ohne die damals noch schwachen sozialen Netze – als Brandbeschleuniger, statt zur Objektivierung des Themas beizutragen.
In einer Studie des Umweltbundesamtes 1992 hieß es, ein Benzinpreis von 4,60 Mark sei so einschneidend, dass Autofahrer im Schnitt 20 Prozent weniger fahren würden.
Dem UBA-Chef von Lersner kam das gerade recht. Er wollte weniger Verkehr auf den Straßen. Vom Bonner Regierungssprecher wurde er dafür als „absolut inkompetent“ und „unzuständig“ abgewatscht.
Der FDP-von Lersner (hallo FDP!) war auch der Erste, der Tempo 100 auf deutschen Autobahnen forderte. Es war für ihn „skurril“, am Auto den „Freiheitsfetisch“ demonstrieren zu wollen – vergleichbar etwa mit den Amerikanern, für die das Recht, im Drugstore einen Ballermann zu kaufen, Freiheitssymbol ist.
Jenen Vergleich zog von Lersner übrigens bereits Anfang der 80er Jahre …
Heute: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat auf der IAA in München die Bedeutung der Autoindustrie für Deutschland hervorgehoben. Sie sei die Leitbranche der Industrie und „ein Schlüssel für unseren Wohlstand“. Das sagte der Grünen-Politiker am 08.09.23 auf dem Münchner Karlsplatz (SZ).
Leider hat er recht.
Ein Spagat – kaum zum Aushalten.
Keine Zeit mehr für’s Abgewöhnen.
Oder?