Wahlen im Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten
Stefan Kornelius (Süddeutsche) schreibt am 27.April in seinem Essay Wer hat Angst vor Donald Trump: „Es gibt gute Gründe für etwas mehr Gelassenheit„. Kornelius bietet „Handreichungen zur Entzauberung des Wüterichs.“Wohl deswegen, … weil eine „neuerliche Trump-Entgiftung nötig„sei.
Ich nehme meinen Folgeschluss vorweg:
Wir werden uns auf den Schutz des Rechts dort nicht verlassen können, also nicht darauf, dass die vorbildliche Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika das für rechtsgläubige Amerikaner hält, was sie verspricht und in ihren Zusätzen (den Amendmends, die häufiger zitiert werden als die Kernverfassung selbst) ergänzt.
Selbst der erste Präsident der erst 13 Staaten + Washington, D.C., umfassenden Union, George Washington, hat seine Entscheidungen in besonderen Fällen am Kongress vorbei mit Executive Privileges durchgesetzt.
Eine Praxis, die bis heute – allerdings nur in Ausnahmefällen – von fast allen Presidents of the United States (POTUS) – wahrgenommen wird (auch schon von Biden).
Nixon gelang das nicht. Die Watergate Tapes waren freigegeben worden. Um der Amtsenthebung zu entgehen, trat Nixon in der Folge zurück.
Das waren noch Zeiten …
Heute müssen wir hoffen, dass die Entscheidung gegen Trump (… und gegen die Heritage Foundation) im November von den Wählern getroffen wird.
Und nur so.
Die Verhinderung einer erneuten Trump-Präsidentschaft im konstitutionellen Rahmen, wie sie für einen straffälligen Bürger Trump gemäss der so vorbildlichen Verfassung eigentlich zu erwarten wäre, wird nicht zu erreichen sein, weil Trump in den anhängigen Prozessen nicht rechtzeitig verurteilt werden wird … rechtzeitig vor den Wahlen… und so nicht mehr wählbar sein wird.
Der eigentlich wichtigste Prozess (Verschwörung vielfach dokumentiertem Beweismaterial) wird jetzt schon erfolgreich über den Wahltermin hinaus verschleppt.
Das ist den diesen Prozess leitenden konservativen Richtern und Trumps Anwälten zu verdanken.
Eigentlich… sieht diese Verfassung vor, dass alle Menschen gleich geschaffen sind und impliziert so, dass alle, hier also die Amerikaner, vor dem Gesetz gleich sind, und weder über noch unter dem Gesetz stehen – weder immun gegen Strafverfolgung sind, noch auch ohne den Schutz des Gesetzes.
Genau um die Immunität, also die eigentlich extralegale Ausnahme wie für Monarchen, geht es z.Z.und im Zusammenhang mit Trumps Gesetzesübertretungen in den USA.
Nicht etwa als mehr akademisches Spiel- oder Spekulationsthema, sondern ob, wie vor den letzten Präsidentschaftswahlen dort, ein Kandidat (wie citizen Trump) sich 2016 wie anlässlich der Sportsman Awards Awards in Las Vegas rühmen konnte, ‚I could stand in the middle of Fifth Avenue and shoot somebody, and I wouldn’t lose any voters, OK?‘
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Er meint also, sogar straffrei zu sein, wenn er jemand auf der berühmtesten shopping avenue der Welt umbringt.
Straffreiheit (Immunität) war für Trump also schon vor seiner Präsidentschaft eine Selbstverständlichkeit. Eine solche Spezialbehandlung wird der notorische Regel- und Gesetzesverächter weiterhin unbedingt brauchen.
Aktuell sind gegen den Ex-Präsidenten und Präsidentschaftskandidaten vier Strafverfahren mit insgesamt 91 Anklagepunkten anhängig.
Das schmierigste Verfahren betrifft den Schweigegeld-Prozess (und seinen Umgang mit Porno- und anderen Darstellerinnen) passend zu seinen Macho-Ekelsprüchen.
Die Porno-Darstellerin Daniels (englisch: adult movie star) wollte ihre mutmaßliche sexuelle Beziehung zu Trump öffentlich machen – genau zu dem Zeitpunkt, als gerade bekannt geworden war, wie Trump sich damit brüstete, Frauen in den Schritt zu greifen.
Das Schweigegeld an Daniels sowie eine andere Trump-Beziehung und dass dieser Falstaff das Wildern auch während der Schwangerschaft seiner Frau nicht lassen konnte, sollte den Wählern verheimlicht werden. Anklagepunkt also: Wahlbetrug.
Trump versteckte sich damals hinter seinem Anwalt Michael Cohen(Trumps „Fixer“), der jetzt für ihn eine Haftstrafe absitzt. Cohen wird in den nächsten Tagen aussagen. Das dürfte auch Stoff für Arzt-Praxis-Lektüre geben.
Trumps Anwalt Todd Blanche, der Doktor Faustus der amerikanischen Justizbranche, hält dagegen, die Geschichte sei erfunden und das Vergehen ein Kavaliersdelikt.
Verglichen mit der Anklage der Verschwörung, tatsächlich ein verhältnismäßig kleiner Betrug. Aber das ist der Prozess, der am schnellsten noch vor den Wahlen mit einem Schuldspruch abgeschlossen werden kann.
Auch Al Capone konnte nicht wegen der schweren Verbrechen Mord und Totschlag überführt werden. Er kam wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis. Das Trump-Drama“Schmiergeld, andere Schweinereien und Betrug am Wähler“ wird vor dem New Yorker Schwurgericht in den nächsten Wochen viel TV-Spektakel produzieren und (hoffentlich) vorführen, wie der cholerische Trump sich selbst demontiert. Die Symptome sind bereits vergangene Woche erschienen.
Donald Trump greift zum Beispiel Richter und Staatsanwalt hart an und damit die Justiz. Bis November muss das Vertrauen der Wähler in das amerikanische Rechtssystem so weit beschädigt sein, dass es für Trumps Wahlsieg reicht. [Die Zeit, Ausgabe 18, 02.Mai(Politik)].
Das für ihn und sein Unternehmen teuerste Strafverfahren kostet Trump fast eine halbe Milliarde $. Sein Unternehmen hat zum Zweck der Kreditzinsenminderung und zur Erlangung günstiger Versicherungsprämien den Wert seiner Liegenschaften etc.betrügerisch falsch angegeben.
Ein großer Betrug.
… an Kreditgebern, Versicherungsgesellschaft und am Staat.
Schlimmer geht nimmer. Oder?
Die Republikaner, die diesen Gewohnheitskriminellen zu ihrem Parteiführer gemacht haben, sind – bisher – als eher konservativ (=bewahrend) bekannt … gewesen. Der US-Verfassung ging in 1776 die Declaration of Independence voraus. Die enthält – wohl auch jenem Zeitgeist entsprechend – noch Elemente von Ungleichheit (Sklaverei und Frauen): All men are created equal – „men„, das waren Männer, und, wohlbemerkt, weisse Männer und sind es in einigen Regionen noch heute. Die schwelgen nostalgisch von konföderalen Zeiten, freundlich gesagt: erz-strukturkonservativ und reaktionär. In USA heute Populismus-Munition (Gender-Debatte).
Auch das sind treue Trump-Wähler.
Im Guardian schreibt Rebecca Solnit: „Im besten Fall streben die USA danach, eine perfekte Union mit Gleichheit und Gerechtigkeit für alle zu sein. Im schlimmsten Fall, dem Gegenteil, arbeiten Eliten z.Z.erfolgreich – erst getarnt, inzwischen offen.“Immunität“ wird es nur geben, wenn sie nutzt und nur für den, der für diese Elite nützlich ist.
Tobias Barrington Wolff, Staatsrechtsprofessor an der Universität von Pennsylvania/Penn Law School im Interview mit Rebecca Solnit :
„Präsidentinnen und Präsidenten, amtierende wie ehemalige, genießen absolute Immunität vor persönlicher Haftung für Handlungen, die sie im Rahmen ihrer Amtspflichten begangen haben. Ein Großteil des Verhaltens im Fall Trump liegt jedoch vor der Amtszeit Trumps.„
Und weiter: „… die Gerichte räumen der absoluten Immunität von Präsidenten einen großen Spielraum ein, aber es gibt klare Grenzen.„
Das wäre noch ordentliches Rechtsverständnis.
Der Oberste Gerichtshof (Supreme Court) habe beispielsweise die absolute Immunität eines Richters abgelehnt, der sein Amt „missbraucht hat, um in seinem Amtszimmer einen sexuellen Übergriff zu begehen.“.
Ein Privatmann, der Geschäftsunterlagen fälscht, um die Wähler zu betrügen, eine geschmacklose Affäre zu vertuschen und vielleicht auch gegen die Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstösst und seine Steuern hinterzieht, ist das aktuelle Beispiel.“ sagt Wolff … und meint den Privatmann Trump.
Politisierung des Obersten Gerichtshofs der USA
Einen Fall der Politisierung des Supreme Court erlebte Amerika 1991 anlässlich der Ernennung des einzigen afro-amerikanischen Richters an den Supreme Court, durch President George (Vater)H.Bush: Die afro-amerikanische Juristin Anita Hill beschuldigte damals in der Anhörung des Senats ihren früheren Vorgesetzten Clarence Thomas der sexuellen Nötigung.
Thomas wurde trotzdem Richter am Supreme Court.
‚Hill wurde der Falschaussage bezichtigt – und zur Heldin vieler Frauen‘ (SZ).“
Ich verfolgte damals die live übertragene Anhörung Hills im Fernsehen (CNN) und erinnere mich an die Spannung, mit der ich die Sendungen verfolgte (noch einmal erinnert durch das Interview der inzwischen 65-Jährigen Hill im SZ-Magazin Nr.12 in 2022).
Anita Hill 1991 bei Anhörung ….
Für mich war damals klar, dass Thomas trotz Hills Aussage und aus politischen Motiven zum Mitglied des Supreme Court werden konnte.
Rechts: anläßlich SZ-Interview 2022
Clarence Thomas ist der ‚Schwarze‘ auf der ‚bench‘ und – zwar Bürgerrechtler, dabei aber ‚republikanisch‘ strukturkonservativ.
Und … Thomas‘ Ehefrau Virginia, seit 1991(!), selbst Richterin, ist WASP (White Anglo-Saxon Protestant), aggressiv strukturkonservativ, korrosiv reaktionär und erst direkt, seit einiger Zeit mit eigener Foundation gleicher“Erdung“indirekt Heritage-Foundation Mitarbeiterin.
Beide, Clarence und Virginia Thomas, unterstützen Trump.
Nach Joe Bidens Sieg bei den Präsidentschaftswahlen 2020 forderte Ms.Thomas Trumps Stabschef Mark Meadows wiederholt auf, Schritte zu unternehmen, um das Ergebnis zu kippen. (Wikipedia).
Die anderen Richter auf der SCOTUS-bench (Supreme Court of the United States): Chief Justice John G.Roberts und Justice Associate Samuel A. Alito, Jr., von George (Sohn) W.Bush in 2005 ernannt.
Sonia Sotomayor, in 2009 von President Barack Obama in den SOTUS berufen. Ebenso ein Jahr später Elena Kagan.
Erst in der Trump-Periode wurde mit den Ernennungen Neil M. Gorsuch, Brett M. Kavanaugh (*) und Amy Coney Barrett der Supreme-Court endgültig republikanisch. Daran kann die vom Demokraten Joe Biden in 2022 ernannte Ketanji Brown Jackson nichts wesentlich ändern.
Unterm Strich jetzt also sechs republikanische (inklusive Chief Justice John Roberts) und drei demokratische Oberste Richter. Die republikanisch gesetzten Justices sind 3xWASPs und die Katholikin Amy Coney Barrett. Die erste jüdische Richterin (Kagan), die erste Latina (Sotomayor) und die erste Afro-Amerikanerin (Brown Jackson) sind demokratisch gesetzt.
Die jeweilige Zusammensetzung sagt alles.
(*) Auch Kavanaugh musste sich anlässlich der Anhörung vor dem, Senat gegen die Beschuldigung, zusammen mit seinem Freund in der Schulzeit, eine Mitschülerin (Christine Blasey Ford) vergewaltigt zu haben, verteidigen. Die Zeit berichtete im September 2018 darüber. Ford wurde – wie Anita Hill 25 Jahre zuvor – Opfer einer politischen Entscheidung: Kavanaugh wurde bestätigt. Das Foto zeigt Christine Blasey Ford bei der Anhörung in 2018.
Richter am Supreme Court bleiben lebenslang in diesem Amt.
Damit leisten sich die USA zwei Hohepriester am Obersten Gericht, deren Verfehlungen woanders Karrieren beendet hätten.
Na denn, Prost!
Susan B. Glasser, The New Yorker (TNY), April 25, 2024 (KING DONALD’S DAY AT THE SUPREME COURT):
Wir befinden uns in diesem folgenschweren Wahljahr und debattieren darüber, ob ein Präsident das Recht hat, Bestechungsgelder für offizielle Ernennungen anzunehmen, Atomgeheimnisse an einen ausländischen Gegner zu verkaufen oder sogar einen Militärputsch auszulösen, um im Amt zu bleiben.
Und Trump?
„Indem er versucht, in die Präsidentschaft zurückzukehren, ist es, als ob er sich Amerika als ein Königreich und sich selbst als König vorstellt, als einen absoluten Herrscher, dessen Handlungen, egal wie schmutzig sie sind, nicht gestoppt oder von einem Gericht verfolgt werden können.“
Ist es vorstellbar, dass ein wiedergewählter Präsident Trump sein Justizministerium anweist, Joe Biden wegen dieses oder jenes vermeintlichen Vergehens zu verklagen?
Aber sicher! Dies ist schließlich keine theoretische Drohung, sondern eine, die Trump bereits mehrfach ausgesprochen hat.“
Mein Einwand: sollten sich die mehrheitlich (2/3) republikanischen Richter am SCOTUS tatsächlich für die post-amtliche Immunität der US-CEOs (bisheriger und zukünftiger) entscheiden, müsste diese ja auch für Biden gelten und ihn und seine Familie und Getreuen vor Trumps retribution (Vergeltung) schützen.
Wie die Planung der Trump-Stäbe (Heritage Fund etc.) für den Fall einer neuen Präsidentschaft Trumps allerdings jetzt schon aussieht, bräuchte Trump als Diktator auch auf solche Spitzfindigkeiten wie Immunität, Straffreiheit für Vorgänger etc.keine Rücksicht mehr zu nehmen …
Weiter mit Susan Glasser vom NEW YORKER :
Man sollte sich keine Illusionen machen: Angesichts des Zeitplans würde jede Verzögerung praktisch garantieren, dass die Klage des Sonderberaters Jack Smith gegen Trump wegen des Versuchs, das Wahlergebnis von 2020 zu verfälschen, erst nach den Wahlen von 2024 vor Gericht kommt.
Mit anderen Worten: Das Gericht würde sich auf die Seite von Trump stellen, auch wenn es sich nicht ausdrücklich auf die Seite von Trump stellt.“
Die völlig un-präsidenzielle Figur, die Trump ganz aktuell in seinen Pflichtpräsenzen in den New Yorker Gerichten abgibt, in denen er auch schon mal einnickt (sleepy Donald statt sleepy Joe?), scheint seine Erfolgsaussichten nicht einzuschränken
Dazu noch einmal The New Yorker (am 24.April):
„In seinem Strafprozess muss der Ex-Präsident zusehen, wie potenzielle Geschworene, Staatsanwälte, der Richter, Zeugen und sogar seine eigenen Anwälte über ihn als fehlerhaften, unmöglichen Menschen sprechen.“
CNN-Umfrage vom 27. April: Trump behält seinen Vorsprung – um 10 Punkte – vor Biden in der Abstimmung für 2024 bei, obwohl die Meinungen über die Präsidentschaften der beiden auseinandergehen.
Blick nach Amerika ab 2025
Die meisten glauben, Trump wird wieder Präsident.
Ich nicht.
Post Scriptum am 05.Mai 20224:
Eine der drei demokratischen Supreme Court Richter, Frau Ketanji Brown Jackson – siehe Video mit Original-Ton (anklicken+Lautsprecher an!):
Wenn jemand mit derartigen Befugnissen, die mächtigste Person der Welt mit dem größten Maß an Autorität, sein Amt antreten kann, weil er weiß, dass es keine potenzielle Strafe für die Begehung von Straftaten gibt, versuche ich zu verstehen, was jemanden davon abhält, das Oval Office zum Sitz krimineller Aktivitäten in diesem Land zu machen. Wenn die Möglichkeit der strafrechtlichen Verfolgung vom Tisch ist, besteht dann nicht die Gefahr, dass künftige Präsidenten ermutigt werden, während ihrer Amtszeit unbekümmert Verbrechen zu begehen?
Gerade die Tatsache, dass wir diese Debatte führen, weil das OLC* gesagt hat, dass Präsidenten strafrechtlich verfolgt werden könnten, haben die Präsidenten seit jeher verstanden, dass dies eine Möglichkeit ist, und das hat vielleicht verhindert, dass sich dieses Amt in die Art von Kriminalitätszentrum verwandelt, die ich mir vorstelle.
Aber wenn wir sagen: „Keine strafrechtliche Verantwortung, Herr Präsident, Sie können tun, was Sie wollen“, dann befürchte ich, dass wir ein schlimmeres Problem haben werden als das Problem, dass der Präsident gezwungen ist, das Gesetz zu befolgen, solange er im Amt ist.
Direkt vom White House am 05.Mai 2024 ins Netz gestellt und von mir übersetzt.
* Office of Legal Counsel
Im ATLANTIC schreibt Adam Serwer vor ein paar Tagen unter dem Titel „Die Trumpifizierung des Supreme Court“: Die konservativen Richter haben gezeigt, dass sie bereit sind, jedes Gesetz oder Prinzip zu opfern, um den ehemaligen Präsidenten zu retten.
Es kann Trump also egal sein, was da im Gerichtssaal, in dem er als Angeklagter sitzt, verhandelt und gesagt wird.
Den Eindruck darf man haben, wenn man auch in der NYT liest: „Donald Trump schien an beiden Tagen in der vergangenen Woche ein paar Mal einzunicken, sein Mund wurde schlaff und sein Kopf sank auf seine Brust„.
Mit ‚Der Pate‘ im Hinterkopf ist in der Late Night Show aus Don Corleone für Trump Don Snorleone geworden – eine Synthese des Mafia-Capo dei Capi und dem im New Yorker Gerichtssaal schlafenden (schnarchenden…?) ex-Präsidenten. Da reibt sich im Hintergrund der Mephisto die Hände.
Mit etwas Spass an solchen zur Realität werdenden Metamorphosen kann man das lustig finden … das Lachen bleibt einem aber bei dieser Vorstellung in der Kehle stecken …
Man kann sich aber auch darüber Sorgen machen, wie sich ein solcher Präsident um die Probleme der Welt kümmern soll, meint David Graham, The Atlantic-Kolumnist:
„Wenn Trump nicht in der Lage ist, während eines Prozesses, bei dem seine eigene Freiheit auf dem Spiel steht, wach zu bleiben, wie groß sind dann die Chancen, dass er sich auf die Feinheiten eines sich zuspitzenden regionalen Krieges, einer Handelspolitik oder einer neuen Krise konzentrieren kann, die auf ihn zukommen könnte, wenn er ins Weiße Haus zurückkehrt?„
Trump juckt so etwas nicht. Der hat ja seine vom Heritage Fund oder Claremont Institute selektierten Spezialisten für solche Unwichtigkeiten.
Der schnarchende Präsidentschaftskandidat entblödet sich nicht die Bohne und twittert auf seiner Plattform Truth Social (dieser Name ist schon eine typische Trump-Schöpfung.
Sozial ist Trump nie gewesen und wird so etwas ähnliches nicht werden und mit Wahrheit hat er’s schon garnicht):
“Where’s SLEEPY JOE? He’s SLEEPING, that’s where!!!”
… ausgerechnet der Sleepy Donald oder Don Snorleone.
Worüber ich mir trotz aller Zuversicht vor allem Sorgen mache, ist, dass es wohl völlig wurscht ist, wie sich dieser Don(ald)benimmt. Der ist als Präsident für die inzwischen gut organisierte Infrastruktur gesetzt.
Damit werden wir dann genau den Deep State in den USA haben, vor dem Trump in seine MAGA-Shows unentwegt warnt.
… und wenn das mit der Immunität nicht klappt und Sleepy Joe wird erneut gewählt, dann wird es eben Bürgerkrieg geben. Die MAGA-Truppen haben von den Fehlern der Amateure mit dem Sturm aufs Kapitol am 6.Januar genug gelernt, um das in 2025 professionell zu organisieren.
Susan B.Glasser, The New Yorker am 3.Mai:
„Donald Trump has now made clear that he won’t concede if he loses the election. Believe him.“
Und die Wähler?
Die 75 Millionen, die ihn in 2019 wählten, wählen ihn wieder.
Jedenfalls die meisten.
„Denn sie wissen nicht, was sie tun“.
Falsch.
Robert Kagan, WashPost: Die Amerikaner wissen, dass er im Falle seiner Wahl das Justizsystem missbrauchen würde, um gegen seine Gegner vorzugehen. Sie wissen das, weil er es sagt. „Ich bin eure Vergeltung“, erklärt er, und mit „eure“ meint er „meine“.
In seinem Essay in der Washington Post vom 24.April erklärt Kagan, dass die Verfassung der Vereinigten Staaten nie von allen Amerikanern respektiert, sie schon gar nicht gelebt wurde.
Kagan: „Es ist das, was die Gründerväter befürchteten und wovor Abraham Lincoln warnte: ein Niedergang dessen, was sie öffentliche Tugend nannten. Sie befürchteten, dass es schwierig sein würde, die Unterstützung der Bevölkerung für die revolutionären liberalen Grundsätze der Unabhängigkeitserklärung aufrechtzuerhalten, und sie befürchteten, dass die tugendhafte Liebe zu Freiheit und Gleichheit mit der Zeit engen, egoistischen Interessen weichen würde.„
Und die Gescheiten, die Cleveren von der Wall Street? Selbst auf diese mehrheitlich gebildeten Opportunisten können sich ‚true-blood‘ Demokraten und Biden-Parteigänger nicht verlassen.
Kagan:“Unabhängig von den moralischen oder politischen Bedenken, die Wirtschaftsführer gegenüber Trump haben mögen, müssen sie unterm Strich mit ihm auskommen, und wenn das bedeutet, dass sie bei seinen verfassungswidrigen Handlungen ein Auge zudrücken, dann soll es eben so sein. Prominentes Beispiel ist Dimons (JPMorgan Chase CEO) und dessen wohlwollende Bilanz anlässlich des WEF 2024 in Davos. Dimons lobte leise Trumps Leistungen in dessen erster Amtszeit und ignorierte laut Trumps Versuch, die Regierung zu stürzen.
Neil M. Gorsuch, Republikaner, WASP und Richter am Obersten Gerichtshof der USA, spricht von der „sogenannten Trennung von Kirche und Staat„. … Antiliberalismus am Obersten Gerichtshof ist auch nichts Neues.
Kagans Essay ist absolut lesenswert. … und Gründervater Benjamin Franklins Antwort auf die Frage, welche Regierung vom Verfassungskonvent 1787 geschaffen wurde: „A republic, … if you can keep it“ klingt aktuell…
https://www.washingtonpost.com/opinions/2024/04/24/trump-tyranny-christian-nationalist-democracy/
Robert Kagan ist Senior Fellow an der Brookings Institution und leitender Redakteur der Washington Post.
Diese Wahl – für Biden und die Demokraten zusätzlich von den Unruhen an den amerikanischen Universitäten und der Situation im Nahen Osten überschattet – ist ein Cliffhanger.
Ich habe auch die Post der Leser zu Kagans Essay gelesen. Nach der Lektüre des Kagan-Essays durchaus wohltuend.
Und … die Biden-Basis ist kleiner als die Trumps. Bidens Potential hat noch viel Luft nach oben, Trumps Potential sei – laut Hopium Chronicles – eher bereits in die starke Basis eingepreist. Für Meinungsforscher ist das „a high floor and a low ceiling“für Trump, und umgekehrt für Biden.
Der bevorstehende Irrsinn ist also möglich, aber eben nicht unvermeidlich.