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Kritik an Israels Kriegsführung ist weder antisemitisch, noch antizionistisch.

1.Kritik ist eine zentrale Form der Kommunikation. Der Rückgriff auf den Ursprung des altgriechischen Begriffs „kritikē“ –„krínein“ meint wörtlich ‚unterscheiden, trennen‘. Egal, ob aktiv (selbst kritisieren) oder passiv (erleiden) -Kritik fordert Selbstdenken. Es ist auch die philosophische Errungenschaft der Aufklärung (Locke, Hume, Kant). Die Aufklärung hat unser Leben in Freiheit möglich gemacht. Selbstdenken ist mentaler Kraftstoff.

2. Krieg gibt es nicht ohne Kollateralschäden (unbewaffnete Zivilisten, im „friendly fire“fallende Soldaten).
Verteidigungskriege(*) sind völkerrechtlich gedeckt, Aggressionskriege sind, völkerrechtlich sanktioniert, Verbrechen.
N.O.-Festlegung seit 1946: der Angriffskrieg ist ein„Verbrechen gegen den Frieden“und völkerrechtlich eine Strafnorm.

(*) Wenn Verteidigungskriege Angriffskriege voraussetzen, „braucht“man für den Frieden die Angriffskriege“nur“ abzuschaffen. Angriffskriege sind ebenso obsolet wie Imperien und Imperialismus. Meine Enttäuschung darüber, dass „das Ende der Geschichte“ (Fukuyama)doch noch nicht erreicht ist, schmerzt nachhaltig.

Zur Kritik an Israel wurde Omri Boehm vor etwa einem Jahr von Precht gefragt, ob Deutschland trotz seiner weltverbrecherischen Geschichte des Holocausts Israel überhaupt kritisieren dürfe.

Boehm antwortet: „nicht trotz, wegen …“.

Auch ein philosophisches takeaway aus jener Unterhaltung: wenn der Mensch immer Zweck, nie Mittel sein darf und diese kantianische Festlegung ebenso moralisch wie universal ist, darf es keine Kriege geben.

Freunde kritisieren Freunde.

Kritik auch an Verteidigungskriegen ist nicht antisemitisch und
kein Dilemma, sondern Freundschaftsdienst. Die Kritiker, die ich hier zitiere, sind ausnahmslos Juden, israelische Juden oder solche diaspora- oder ethnisch-konfessionell jüdischer Herkunft (wie der Nahost-Experte Thomas Friedman, der seit ca.40 Jahren Korrespondent und Kommentator der New York Times, 1953 in St. Louis Park, Minnesota, in eine jüdische Familie geboren wurde … und den ich gern und oft zitiere).

Was wird kritisiert und was ist kritisch?

Ist die israelische Millitäraktion als Reaktion auf den Terrorakt der HAMAS unverhältnismäßig ? Im dicht besiedelten Gaza gingen und gehen die Israel Defence Forces (IDF), sicher auch getrieben vom Gedanken der Vergeltung, – man muß wohl sagen – sehr hart und offenbar wenig rücksichtsvoll mit unbewaffneten Zivilisten (Männer, Frauen, Alte, Junge, Kinder) um. Der heute eher umsichtig abwägende Verteidigungsminister Yoav Gallant (Netanjahu versucht, ihn seit Monaten loszuwerden) sagte einige Tage nach dem HAMAS-Überfall im Oktober 2023 in einer Pressekonferenz:

Wir verhängen eine vollständige Belagerung über die Stadt Gaza. Es gibt keinen Strom, keine Lebensmittel, kein Wasser, keinen Treibstoff, alles ist geschlossen. Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und handeln entsprechend.“
Maßlos, sicher auch diese Ansage.

Es gibt keine Definition ‚maßvoller Kollateralschäden‘ (weil es wohl kein „Maß“ dafür geben darf).                                   Jeder unbewaffnete Zivilist ist unschuldig.
Und der Begriff ‚Kollateralschäden‘ wird, seit es diesen Begriff gibt, gezielt mißbraucht. Die Begründung dafür – durchweg zynisch

Die HAMAS nutzt offensichtlich diesen Begriff, um Israel in eine Situation zu bringen, in der die Soldaten nichts richtig machen können: HAMAS-Kämpfer mischen sich unter die Zivilisten und führen  ihre Kampfaktionen aus Krankenhäusern und aus Schulen durch. Absichtlich sind wohl auch die Tunnel unter solchen Gebäuden angelegt. HAMAS ist – als Terrorunternehmen – ohnehin maßlos.

Die Israel Defence Forces (IDF) scheinen allerdings, motiviert auch durch den Generalverdacht („alle Palästinenser sind Terroristen“), solche Plätze eben nicht „chirurgisch“ unter Beschuß zu nehmen und zu bombardieren. Beispiel: Nach einer Sichtanalyse der New York Times, des Guardian und von Experten setzen israelische Streitkräfte seit dem 31. Oktober des vergangenen Jahres von USA gelieferte 900 kg (2000 lbs) schwere Bomben auch auf das Flüchtlingslager Jabalia ein. Jeder Abwurf, eine katastrophale Maßlosigkeit.
Munitionsexperten mahnen: solche Bomben werden nicht in dicht besiedelten Gebieten abgeworfen … 

Das Maß dieses Mißbrauchs entzieht sich wegen israelischer Mediensperre objektiver Prüfung. Ein israelischer Militärsprecher erklärte: „Israels oberste Priorität ist es, die Hamas zu zerstören. Fragen dieser Art werden zu einem späteren Zeitpunkt untersucht.“

Die Moslembrüder der HAMAS glauben an das Märtyreropfer. HAMAS-Führer Sinwar auf die Sinnfrage der Ha’aretz-Berichterstatterin Ayelet Shani, ob es den Tod von 10.000 Gazanern wert sei, antwortete: „… auch 100.000.“

 

Aktuell am 09.10.2024 berichtet die Jpost:

(1) Sinwar wurde nicht liquidiert und …       

(2) Sinwar ruft zu Selbsmordattentaten auf. 

Auch die Verzweiflung der Mütter über den Wahnsinn hält Sinwar nicht auf.

Teheran vom israelischen Geheimdienst liquidierte HANAS-Ex-Politikchef und Muslimbruder Haniye feierte den Tod seiner Familie in Gaza als Märtyreropfer (…Ich danke Allah für diese Ehre, die Er uns durch das Martyrium meiner drei Söhne und Enkelkinder erwiesen hat). 
Die Terroristen legen für die Lagerung ballistischer Raketen unterirdische Gänge unter Wohnhäusern mehrheitlich normaler Bürger an; Gänge, die für die schweren LKW groß genug sind.

Immer mehr Belege, dass nicht kämpfende Bürger Gazas und im Libanon Mittel zu den Zwecken der HAMAS und der HIZBULLAH sind.

Die Raketen werden in Wohnhäusern gelagert, um sie, die Raketen – nicht die Zivilisten! – vor Luftangriffen zu schützen.

Statt also die Bevölkerung Gazas, die die HAMAS durch die Wahlen in 2006 zu Ihrer Regierung gemacht haben, zu schützen – wie es der wichtigste Auftrag jeder Regierung ist, opfert die HAMAS diese. Genauso die Hizbullah, die ungewählte de-facto-Regierung im Libanon.

NYT: “HAMAS has proven willing to sustain immense damage to Gaza and its population, rather than give in.”

Nicht nur als die Deutschen, also das Volk mit der großen Kollektivschuld an der Ermordung jüdischer Bürger und Mitmenschen, und nicht nur als humanistische Weltbürger, teilen wir das Kriegsziel der Israelis :

… die Hamas im Gazastreifen zu zerschlagen und gleichzeitig die Hizbullah im Norden abzuschrecken. 

Inzwischen reicht aber das Abschrecken nicht mehr.

Auch die Hizbullah, Terrororganisation, als Proxy der iranischen Terrortheokratie Mitglied der Axis of Resistance und de facto Regierung Libanons (die de iure Regierung ist gewählt aber ohnmächtig), sollte unschädlich gemacht werden – eigentlich noch klarer begründbar als die Kriegsführung gegen die HAMAS (ausdrücklich nicht gegen Gaza), weil die Hizbullah seit Jahren den Norden Israels mit Raketen angreift.

Außer der schuldbegründeten Unterstützung Israels insbesondere durch Deutschland, gibt es bisher klare strategische Gründe für die Allianz der Europäer mit Israel:
Die – zwar „sanierungsbedürftige“ – einzige Demokratie des Nahen Ostens, nachgewiesenermaßen wehrfähig, ist technologische Spitze und gleichzeitig Europas starker Alliierter und Stabilisator in dieser schwierigsten Weltregion.
Die Wehrfähigkeit Israels gibt es seit der Gründung des Staates. Bereits der Vorgänger der IDF, die Haganah, war legendär. Diese Wehrfähigkeit wird kontinuierlich weiterentwickelt, obwohl Israel nicht mehr nur von Feinden umgeben ist. Heute gibt es Friedensverträge und Allianzen mit Ägypten, dem Sudan, Jordanien und den VAE.


Israel ist jetzt die Supermacht des Nahen Ostens.
Diese überlegene Wehrfähigkeit zeigt sich nicht nur in den Verteidigungsausgaben (siehe CNN-Bild: Fareed’s Take) – besonders im Verhältnis zur Bevölkerungszahl (Israel<10 Mio, Iran > 80 Mio), sondern auch in technologischer Potenz und „Intelligenz“ (=Geheimdienste).

Spitzentechnik und Qualität der in Israel entwickelten Waffen, sind Exportschlager. The Economist-Redakteur Anshel Pfeffer (früher: Ha’aretz): „… die wichtigste Entwicklung im israelisch-europäischen Waffenhandel war die Unterzeichnung eines 4,4-Milliarden-Dollar-Vertrags über den Kauf des israelischen Raketenabwehrsystems Arrow als Eckpfeiler der europäischen Sky Shield Initiative durch Deutschland.“

Und die Soldaten Israels?

ZDF (13.10.23) : Rund 170.000 aktive Soldaten hatten die israelischen Streitkräfte (IDF) vor Monaten.

Nun sind es 530.000.

Über fünf Prozent der israelischen Bevölkerung stehen damit jetzt unter Waffen.
Sollte es zur israelischen„Vergeltung“ für den zuletzt durchgeführten Raketenangriff auch auf Tel Aviv des Iran kommen – womit jetzt nach dem Jom Kippur (11.+12.10.) gerechnet wird – kann man nur hoffen, daß diese Vergeltung insofern maßvoll realisiert wird, als dann die sich unterirdisch, wahrscheinlich treffsicher gelagerten Nuklearanlagen (und -sprengköpfe) nur dann angegriffen werden, wenn hier „chirurgisch“präzise auf geheimdienstlich verläßlich angegriffen werden kann. Ein“Daneben“hätte eine für Israel kaum zu ūberschätzende Wirkung.

Und die Araber? Solidarisch mit Iran und der Axis of Resistance?

Jack Khoury, arabischer Israeli, schrieb vor ein paar Tagen in Ha’aretz: „Angesichts der widersprüchlichen Interessen der arabischen Welt, ihrer Abhängigkeit von den USA und der spaltenden Frage des Iran befürchten viele Libanesen, dass kein arabisches Land ihnen zu Hilfe kommen und sie einem ähnlichen Schicksal wie die Palästinenser in Gaza überlassen wird. Viele fragen sich, warum die Arabische Liga bisher keine Dringlichkeitsgipfel abgehalten hat, die, obwohl sie weitgehend deklarativ wären, eine gemeinsame Front gegen Israel bilden könnten.“ 

Wie gefährlich ist Iran und die Axis of Resistance wirklich?

Iran, Libanon (Hizbullah) und das Huthi-Yemen sind schiitisch und für die sunnitischen, arabischen Nachbarn eher (schwache) Konkurrenz. Sie sind Mitglieder der „Axis of Resistance“, dem von Iran geförderten Projekt mit dem Ziel der Auslöschung Israels. Bahrein ist zwar schiitisch, gehört aber geografisch motiviert, zu den (sunnitischen) Partnern Israels aus den VAE.

Iran ist in einer Position der militärischen Unterlegenheit gegenüber Israel und brennt eher nicht für einen Krieg mit diesem formidablen Gegner. Iran muss aber „ein bisschen Rache“ üben, um bei ihren Proxies nicht Gesicht zu verlieren …

… inzwischen sind ja Raketen aus dem Iran gekommen und die Vergeltung Israels wird folgen …

Perspektive für die Levante

60% der befragten israelischen Bürger sind gegen die Zwei-Staatenlösung
, weil sich die Israelis mehr denn je von den palästinensischen Nachbarn (Terroristen, mindestens potenziell) bedroht fühlen.
Das ist natürlich nachvollziehbar, jedoch … zu kurz gedacht.

Die Palästinenser „nebenan“ weiterhin zu bewachen, gar zu ghettoisieren, trägt zur Züchtung weiterer Terror-Generationen bei; die Bedrohung wird so also mindestens gleich bleiben. Das Reservoir junger, häufig arbeitsloser und perspektivloser Araber, ist „nachwachsender Rohstoff“.
Dazu auch Bar-Tal, israelischer Professor für Psychologie in Sozialpolitik an der Universität Tel Aviv im Zeit-Interview im September:

„Die Kampfansagen starten im Kindergarten“

und „es ist die Idee, die gelöscht werden muss und, besser noch, durch eine andere, möglichst universalistische Idee ersetzt werden. Konflikte beginnen mit Ideen. Sie werden durch Ideen verfestigt. Und sie können auch beendet werden, indem neue Ideen an den Platz der alten treten.“

Wie also kann Frieden in der Region möglich werden?

 

Ideal wäre ein Staat wie Omri Boehm einen solchen in ‚Israel – eine Utopie’ beschreibt: auf einer Grundlage, die wir hier kennen und die auf den Werten der aufgeklärten Europäer fußt. Eine ‚Utopie‘, wie sie bereits den israelischen Autoren 1948 in der Unabhängigkeitserklärung, dem Gründungsdokument Israels, vorschwebte. Dort heißt es:
dass der Staat allen seinen Einwohnern ohne Unterschied der Religion, der Ethnie oder des Geschlechts die völlige Gleichheit der sozialen und politischen Rechte gewährleisten wird und dass er den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen treu sein wird.

Ich habe bis hierher versucht, meine Kritik an der Art der Führung des Verteidigungskriegs Israels als konstruktive Kritik zu begründen und anzulegen. Eine Kritik, meine ich, die für das „umzingelte Israel“eine Hilfe sein kann.
Die Kritik ist vor dem Hintergrund überlegt, daß die viel zu häufig maßlose Zerstörung den Antisemitismus global bereits jetzt enorm befördert hat und ich mir das Gegenteil wünsche.

Leider hat Israel auch ein innerpolitisches, gesellschaftliches Problem.
Dazu haben die beiden Politikwissenschaftler Ilan Z.Baron (Durham University) und Ilai Z.Saltzman (University of Maryland) kritisch und konstruktiv in Foreign Affairs im September geschrieben und vielsagend getitelt :

 THE UNDOING OF ISRAEL (Das Verderben Israels)

„Der Gesellschaftsvertrag zwischen Staat und Gesellschaft in Israel steht derzeit auf dem Spiel.
Sollten Netanjahu und seine Verbündeten ihren Willen durchsetzen, wird die israelische Demokratie hohl und verfahrenstechnisch, und die traditionellen liberalen Kontrollmechanismen erodieren schnell. Das würde das Land auf einen unhaltbaren Weg bringen, der wahrscheinlich zu Kapitalflucht und Abwanderung führen würde – und zu einer Verschärfung der inneren Spannungen. Israel könnte zu einer Art balkanisiertem Gebilde werden, in dem die religiösen und nationalistischen Elemente des rechten Flügels ihren eigenen De-facto-Staat aufbauen, höchstwahrscheinlich in den Siedlungen im Westjordanland. Oder es könnte zu einer Rebellion religiöser Extremisten und Ultranationalisten kommen, die Israel in einem gewaltsamen Bürgerkrieg zwischen einer bewaffneten religiösen Rechten und dem bestehenden Staatsapparat spalten würde. Auch ohne Bürgerkrieg würde sich die Situation als instabil erweisen, und die Wirtschaft würde zusammenbrechen, so dass Israel ein gescheiterter Staat wäre.
… Auf seinem derzeitigen Weg steuert Israel in eine illiberale Richtung. Der derzeitige Rechtsruck, der sowohl von Politikern als auch von vielen ihrer Wähler vorangetrieben wird, könnte dazu führen, dass Israel zu einer Art ethnonationalistischer Theokratie wird, die von einem jüdischen Justiz- und Legislativrat und rechtsgerichteten religiösen Extremisten geführt wird – nichts weniger als eine jüdische Version des theokratischen Staates Iran. Israels demografische und gesellschaftspolitische Veränderungen, darunter die rasche Zunahme der ultraorthodoxen Bevölkerung, der Rechtsruck der jungen israelischen Juden und der Rückgang der israelischen Juden, die sich als säkular bezeichnen, haben einen religiöseren politischen Körper hervorgebracht, der den Fortbestand Israels als Teil eines unversöhnlichen Kampfes zwischen Judentum und Islam betrachtet.“
– Auszug aus dem Englischen übersetzt.

https://reader.foreignaffairs.com/2024/08/12/the-undoing-of-israel/content.html

Auch Dahlia Scheindlin, Politologin und Meinungsforscherin in Israel, hat sich dazu positioniert. Der Titel ihres Beitrags – auch erst in diesen Tagen in Foreign Affairs (sie schreibt regelmäßig in Ha’aretz) veröffentlicht – fällt eher proaktiv aus:

THE FIGHT FOR A NEW ISRAEL (Der Kampf um ein Neues Israel)

Scheindlin reflektiert das nach Oslo 2 vorhandene Modell der Herstellung der beiden  Nachbarstaaten:
… Bemühungen um den Aufbau einer Verfassung könnten … einen umfassenderen Friedensprozess anstoßen, der auf der Selbstbestimmung der Palästinenser in einem eigenen Staat beruht. Letztendlich würden die beiden Staaten dann die Grenze zwischen ihnen festlegen – idealerweise entlang der Grünen Linie (die mit einem grün zeichnenden Filzstift nach dem Jom Kippur-Krieg 1967 gezogene Linie/Grenze)  und vorzugsweise in einer konföderierten Regelung, die Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit zulässt und in der die Einwohner nur Bürger ihres Nationalstaates bleiben.“
… und weiter: Israel kann kollektive Minderheitenrechte – in Form von kultureller, sprachlicher oder sogar nationaler Anerkennung – einführen, ohne den jüdischen Charakter des Staates aufzugeben. In der Tat muss der jüdische Staat mit universellen demokratischen Standards vereinbar sein, um die staatsbürgerliche Gleichheit zwischen Juden und Nicht-Juden zu gewährleisten – und auch die Gleichheit zwischen religiösen und säkularen Juden herzustellen.“
https://reader.foreignaffairs.com/2024/09/27/the-fight-for-a-new-israel/content.html

Scheindlin, Pfeffer und andere israelische Publizisten schreiben auch in Ha’aretz, Jerusalem Post und anderen Medien regelmäßig kritisch und in klarer Gegnerschaft zur Politik der ultrarechten Netanjahu-Regierung über die gefährlichen Ereignisse, Übergriffe extremistischer Haredin und Siedler in Israel und im Westjordanland.

Dass solche regierungskritische Meinungen und Essays in Israel medial das Licht der Öffentlichkeit erblicken, zeigt eine funktionierende, demokratische, sehr lebendige israelische Medienbetriebsamkeit.
Solche an der HAMAS oder HIZBULLAH öffentlich geäußerte und publizierte Meinung ist in Gaza oder im Libanon lebensgefährlich.

 

Zum Schluß noch einmal Thomas Friedman, NYT. Er ergänzte Anfang d.M.in der NYT anlässlich der UNO-Generalversammlung:
„Wenn Israel jetzt vorangeht und einen Dialog über zwei Staaten für zwei Völker mit einer reformierten Palästinensischen Autonomiebehörde eröffnet, die den Friedensvertrag von Oslo bereits akzeptiert hat, wäre dies der diplomatische K.O.-Schlag, der den militärischen K.O.-Schlag, den Israel gerade der Hisbollah und der Hamas versetzt hat, begleiten und festigen würde (ich meine, sogar überflüssig) machen könnte. ( … das wäre dann friedensnobelpreiswürdig).
Er würde die Kräfte des „Widerstands“ (axis of resistance) in der Region völlig isolieren und ihnen den falschen Schutzschild nehmen – dass sie die Verteidiger der palästinensischen Sache sind. Nichts würde den Iran, die Hamas, die Hisbollah und Russland, ja sogar China, mehr verunsichern.
Doch dazu müsste Netanjahu ein politisches Risiko eingehen, das noch größer ist als das militärische Risiko, das er mit der Tötung der Führung der Hizbullah, übersetzt „Partei Gottes“, eingegangen ist.

Netanjahu müsste mit der israelischen „Partei Gottes“brechen – der Koalition aus rechtsextremen jüdischen Siedlern und Messianisten, die wollen, dass Israel dauerhaft das gesamte Gebiet vom Jordan bis zum Mittelmeer kontrolliert, ohne Grenzlinien dazwischen – genau wie auf der Karte, die Netanjahu kürzlich der U.N.-Generalversammlung präsentierte (ohne Grenzen vom Meer bis zum Jordan auf dem „blessing“-Teil !).

Diese Parteien halten Netanjahu an der Macht, also müsste er sie durch Parteien der israelischen Mitte ersetzen, von denen ich weiß, dass sie mit ihm bei einem solchen Schritt zusammenarbeiten würden.
Das setzt allerdings Netanjahus Bereitschaft voraus, nach seinem Schlag gegen die „Partei Gottes“ im Libanon der „Partei Gottes“ in Israel einen ähnlichen politischen Schlag zu versetzen.“ 

https://www.nytimes.com/2024/10/07/opinion/oct-7-anniversary-israel-hamas.html?ogrp=ctr&unlocked_article_code=1.Sk4.3-re.uJ7E1DSLNl5r&smid=url-share
Friedman hat es auf den Punkt gebracht.
… und Musil auch – schon vor hundert Jahren:
„Wenn es Wirklichkeitssinn gibt, muss es auch Möglichkeitssinn geben.“