The Empire is doomed
… gemeint ist nicht das galaktische … gemeint ist das russische Imperium.
Der Osteuropa-Historiker Martin Schulze Wessel schrieb ein Jahr nach Russlands Angriff auf die Ukraine in Der Fluch des Imperiums über den Weg – ab dem jetzigen Jahrhundert – eher Irrweg, den die russische Geschichte, als selbstbestimmte Erbschaft des petrinischen Vermächtnisses, genommen hat, „ein Komplex von imperialen und nationalistischen Vorstellungen, eine seit Peter I.verfolgte Großmachtpolitik“ (Schulze Wessel), während sich an den Westgrenzen Russlands eine postimperiale, auch postnationale, eher kooperative Politik entwickelte.
Die Europäische Union – immer noch unfertiges, manchmal nur wohlmeinendes, demokratisch verfasstes Konstrukt, immerhin schon ziemlich real – entstand, motiviert von denjenigen Weisen Europas, die den Wahnsinn 1945 überlebt hatten.
Die einst imperialen Mächte der Jahrhunderte 17 bis 20 – die Habsburger, die Preußen, die Osmanen, auch Franzosen und Briten – haben ihr imperiales Selbstverständnis unfreiwillig, gezwungenermassen aufgegeben.
Irgendwie „a blessing in disguise“.
Yuval Harari „Wir dachten, wir hätten es für immer begraben, diesen Imperialismus, aber er taucht wieder auf. In der Menschheitsgeschichte war die grundlegende Voraussetzung für das Leben aller Menschen auf der Erde, dass jederzeit Nachbarn das Territorium eines anderen Landes einfallen, die Bevölkerung dort töten, ganze Länder erobern und unterwerfen konnten.
Auch in gar nicht so alten Zeiten war es normal, dass Länder einander überfielen. Russland hat dieses Verhalten wiederbelebt.“ … oder nur fortgesetzt.
In Russland holt, inzwischen erkennbar, der Fluch das Imperium ein.
Leider zu langsam, aber verfolgbar, sehr sicher.
Die Russin Irina Rastorgueva, inzwischen in Berlin lebende Dozentin und Journalistin, belegt in Ihrem Kommentar der im letzten Monat im russischen Fernsehen von Putin erklärten Jahresbilanz (ebenso im ARD TV mit dem russischen Zitat: „Der Westen hat den Krieg losgetreten“), warum Russland abwirtschaftet.
In Russland platzen Rohre, stürzen Häuser ein, die Stabilität zerfällt. Putin habe ein Interesse an der Ukraine, an Moldawien, Georgien, der Revision der UdSSR … und an Raketen und Panzern, schreibt sie.
… aber kein Interesse an Russland.
Gewissermassen anti-kantianisch ist „Putins Volk“nicht Zweck seiner Regierung, sondern Mittel – Mittel, um die imperialen Zwecke zu verwirklichen. Ich zitiere das, weil Putin im Kant-Jahr von Kant „als seinem Lieblingsphilosophen sprach“(leider ist Königsberg nun Kaliningrad und Kant somit russischer Philosoph).
Teilweise zitiert aus der NZZ – Rastorgueva zählt auf, worauf es den Putinisten ankommt und wie das großartige (das meine ich so, weil ich an Puschkin, Mussorgskij, Repin … denke) Russland heruntergewirtschaftet wird:
Der große ukrainische Maler Ilya Repin (geboren 1844 bei Charkiv)
– Im Föderationsrat wurde vorgeschlagen, Schülerinnen, die ein Kind zur Welt gebracht haben, bei der Aufnahme eines Studiums die maximale Zahl von Zusatzpunkten zu geben (Putin wünscht sich mehr Kinder, weil Russland die Menschen ausgehen).
– Russland in der Weltrangliste der Lebensdauer auf Platz 108 liegt, gleichauf mit Rwanda und Samoa (immerhin).
– Vermutlich schreckt auch der von Putin nicht erwähnte Anstieg der häuslichen Gewalt vom Kinderkriegen ab.
– … alle zehn Minuten ein Gewaltverbrechen in einer russischen Familie.
„Mittlerweile sprach der russische Präsident (in seiner Dezember-Erklärung) über Verhandlungen mit der Ukraine, auch wenn er nicht mit Selenski verhandle, da der Präsident der Ukraine illegitim sei – schliesslich hat er nicht die Verfassung für sich umgeschrieben, und es gibt keine Bestimmung, die die Befugnisse des Präsidenten im Kriegsfall erweitert. Bei Putin selbst ist das eine andere Sache – er hat alles umgeschrieben und ist jetzt der legitimste Präsident der Welt.
Propagandaunterricht nimmt bereits 12 Prozent des Lehrplans ein.
Die vielgepriesene Stabilität – Putins ursprünglich eigenste Agenda – zerfällt.
Fast täglich ereignen sich schwere Versorgungsunfälle in den Regionen, und das ist nicht verwunderlich, denn seit den späten achtziger Jahren hat sich niemand mehr um grössere Reparaturen oder den Austausch der Versorgungsnetze gekümmert. Tausende von Häusern befinden sich in Ermangelung grundlegender Reparaturen in einem desaströsen Zustand.
Nach Berechnungen des Instituts für volkswirtschaftliche Prognosen der Russischen Akademie der Wissenschaften wird sich der Umfang der veralteten Wohnungen bis 2030 auf 54 Millionen Quadratmeter und bis 2040 auf 216 Millionen Quadratmeter erhöhen.
Hunderttausende von Menschen leben bereits in unbewohnbaren Häusern, aber für ihre Umsiedlung ist kein Geld vorhanden.
Die Regionen des Fernen Ostens sind eigentlich reich. Wegen des Öls, Gases, Golds, der Metalle, Diamanten und der Fischerei – dennoch gibt es überall kaputte Strassen, veraltete Infrastrukturen und ungenügende medizinische Versorgung. Denn für Putin hat der Krieg Priorität.
Über 30 Prozent des Staatshaushalts sind ab 2025 für die Landesverteidigung vorgesehen.
Reicht das jetzt ?
Als Patriot muss man da durch …
Das von Lettland aus operierende Internetportal «Meduza» weist darauf hin, dass in der Erläuterung zum föderalen Haushalt für 2025–2027 das Wort «Patriotismus» 35 Mal erwähnt wird und im Allgemeinen etwa 448 Millionen Euro für die Stärkung der Liebe zum Vaterland bereitgestellt werden sollen. Schliesslich haben die russischen Behörden der verarmenden Bevölkerung nichts anderes zu bieten als Krieg, Gefängnis, Patriotismus und natürlich traditionelle Werte.
Rastorgueva: „Die Arbeitslosen und Armen liegen (vermutlich) bereits auf den Feldern der Ukraine.“
Statt mehr Menschen gibt’s in Russland immer mehr Raketen.
Wie gesagt: The Empire is doomed.