Trumps Rußland oder Rußlands Trump …
Ist Trump russophil?
Wenn russophil, für welches“Russische“?
Ist vorstellbar, dass der bekanntermassen nicht Bücherlesende Tolstoj, Dostojewski, Bulgakow, Scholochow kennt, sogar dieses, jenes gelesen hat oder dass Trump Zeit mit dem Hören von Mussorgski, Tschaikowski oder Borodin verbringt …? Vielleicht liebt Trump ja Baaikal-Kaviar … oder russische Balettänzerinnen.
Mir fällt da sonst nichts ein.
Wer sich für die Beziehung Trumps zu Rußland irgendwann interessiert hat, kann nicht mehr überrascht sein, daß die Ukraine mit diesem Präsidenten des (noch) mächtigsten Landes der freien Welt „schlechte Karten“hat.
… und Europa.
Da sind zunächst die verstörenden Bilder mit Putin und die NATO-Ansagen aus Trump 1.0.
Michael D.Sellers, ehemaliger Beamter der CIA mit Jahren an Erfahrung im Moskau der UdSSR und anderen Rußland-Experten verdanke ich Einblick in Trumps Beziehung zur UdSSR und Russland. Ebenso Timothy Snyder, Yale-Historiker, Catherine Belton („Putin’s People“) und den vielen Posts von Politikern, Autoren und Journalisten und ihren Recherchen.
Home | Substack ist die Plattform dieser Persönlichkeiten. Es schreiben dort auch regelmäßig bekannte Historiker wie Niall Ferguson, Timothy Garton Ash (“Europa, eine persönliche Geschichte”), auch Politikwissenschaftler wie Anne Applebaum, Yascha Mounck etc.
Über die Ereignisse und wie sich die USA mit Trump im russischen Revier verfangen haben, ist mit der Geschichte Trumps, beginnend mit seiner ersten Ehe mit der Tschechoslowakin Ivana Zelnicek in 1977, ganz leicht ohne Recherche zu erklären.
Selbst neue Hinweise, Quellenzitate, Berichte über Trumps Geschichte mit Rußland, auch unappetitliche Kompromate sind unnötig, um das seltsame Verhältnis Trumps zu Putin zu belegen.
Der wohl wichtigste und evident konkrete Hinweis auf Trumps nun bereits 50-jährige Beziehung zur UdSSR, später Rußland, ist seine Reise nach Moskau in 1987 und seinen in der NYT, der Wash.Post und im Boston Globe (Leitmedien damals, auch heute noch bedeutend) inserierten Offenen Brief nach seiner Rückkehr von dort.
Diesen Brief sollte man nicht nur lesen, sondern auch mit den Kernbotschaften der sowjetischen Propaganda abgleichen. Man kann so die eigentlich nicht mehr so überraschenden Trump-Putin-Ereignisse nur noch besser einordnen.
Man kann auch ahnen, was dabei rauskommt.
Sellers hat einen Abgleich gemacht (siehe weiter unten mit lesbarem Briefbild und der Analyse):
Allen anderen wohl auch häufig plausiblen, jedoch nicht leicht nachprüfbaren Behauptungen (vor allem von ehemaligen KGB-Offizieren wie Alnur Mussayev und Überläufern), daß Trump während seines Aufenthaltes in Moskau unter dem Decknamen „Krasnov“als Geheimagent angeworben worden sei, glaube ich erstmal nicht, weil ich mir Trump für eine derartig komplexe Aufgabe wie die des Spions nicht für ausreichend diszipliniert und intelligent nicht vorstellen kann.
Rechts: Nachbearbeitetes Bild des Briefs zur besseren Lesbarkeit (mit click vergrößern):
(„The Spy“ auf Netflix – die spannende Geschichte des Meisterspions Eli Cohen. Das Drama zeigt, aus was für einem Korn ein Spion sein muß … )
Was wir in den letzten Jahren alles über Trump erfahren haben, spricht dafür, daß Trump in Moskau nicht nur orientalisch verwöhnt wurde, sondern er dort vor allem seiner Eitelkeit und seinem egomanischen Krankheitsbild (auch: moral insanity) entsprechend bearbeitet wurde.
Die Wirkung dieser Sonderbehandlung – kombiniert mit besonderen deals, die Trump halfen, seinen Vater zu übertreffen und wohl auch bei Krediten und Bürgschaften in New York und Atlantic City halfen – war sicherer als ein Agentenauftrag.
Sellers: Laut Überläufern wie Yuri Bezmenov und Dokumenten aus dem Mitrokhin-Archiv beinhalteten die Rekrutierungs- und Entwicklungstaktiken des KGB oft einen Appell an das persönliche Ego und nationalistische Instinkte – insbesondere bei einflussreichen westlichen Personen. Ein gemeinsames Ziel war es, störende Stimmen zu ermutigen, Botschaften zu verbreiten, die mit den sowjetischen Interessen übereinstimmen, auch wenn sie nicht wussten, dass sie dies taten.
SELLERS‘ ERGÄNZUNG AM 25.05.: in the 90s … The KGB is dissolved and replaced by the FSB, but many of the same individuals remain — now operating with fewer ideological constraints and greater economic ambition.
Hier also die Zusammenfassung der Schwerpunkte in Trumps Brief im Vergleich mit den Schwerpunkten der sowjetischen Propaganda:
Erste Kernbotschaft
Zitiert aus Trumps Offenem Brief von 1987 :
“U.S. allies are freeloading off American military protection.” (Die Verbündeten der USA sind Trittbrettfahrer des amerikanischen militärischen Schutzes.)
Entspricht der sowjetischen Propaganda:
Die USA werden von kapitalistischen Verbündeten benutzt, die wenig beitragen, aber vom US-Imperialismus profitieren.
Alignment Analysis: Fully Aligned — The USSR often portrayed U.S. alliances as parasitic.
Volle inhaltliche, nicht wörtliche(*) Übereinstimmung – Die UdSSR stellte die US-Bündnisse oft als parasitär dar.
Zweite Kernbotschaft
Aus Trumps Brief: “Make allies like Japan and Saudi Arabia pay for U.S. defense.”
(Verbündete wie Japan und Saudi-Arabien sollten für die US-Verteidigung zahlen.)
Sowjetische Propaganda: Die NATO ist ein Instrument der US-Dominanz; bei der Militärhilfe geht es um Ausbeutung, nicht um Zusammenarbeit.
Analyse – Übereinstimmend: Die Sowjets bezeichneten das amerikanische Verteidigungsengagement als ausbeuterisch und einseitig. Das passt unverändert zu Trumps Forderung an die NATO seit 2017.
Dritte Kernbotschaft
Aus Trumps Brief: “The U.S. should redirect military funds to domestic needs.” (Die USA sollten die militärischen Mittel auf inländische Bedürfnisse umlenken.)
Sowjetische Propaganda: Der US-Militarismus schadet dem eigenen Volk und der eigenen Wirtschaft.
Analyse – weitgehende Übereinstimmung: Kernelement der sowjetischen Propaganda, die darauf abzielt, die Anti-Kriegs-Stimmung in den USA zu schüren.
Vierte Kernbotschaft
Aus Trumps Brief: America is being laughed at. (America wird ausgelacht.)
Sowjetische Propaganda: Die USA verlieren international an Glaubwürdigkeit und Prestige.
Vergleichende Analyse: Entspricht auch vollständig dem Kreml-Narrativ, das in den russischen Medien gedruckt wird,… um das Image der USA in der Welt zu verspotten.
Fünfte Kernbotschaft
Aus Trumps Brief: “America should adopt an economic nationalism stance.” (Amerika sollte eine nationalistische (*) Wirtschaftspolitik verfolgen.) (*) = isolationistische Wirtschaftspolitik.
Sowjetische Propaganda: The U.S. is turning inward as capitalism begins to cannibalize itself.
Diese wirtschaftsnationalistische Abwendung von der Welt, kombiniert mit der Kannibalisierung des Kapitalismus war Zielprojektion der Sowjets und ist es – abgesehen vom Kapitalismus – auch im vom heutigen imperialistischen Russland verfolgten Ziel.
Entspricht eher sowjetischem Wunschdenken, dass sich die USA durch wirtschaftliche Isolation international einkesselt und durch nationalistische Wirtschaftspolitik selbst schadet.
Wie haben die Sowjets ihre westlichen „Kunden bearbeitet?
Sellers schreibt:
Aus den „Aktiven Maßnahmen“ des KGB ergab sich der direkte Auftrag, die westliche und die Weltmeinung mit allen verfügbaren Mitteln zu beeinflussen.
Normal.
Laut Überläufern wie Yuri Bezmenov und Dokumenten aus dem Mitrokhin-Archiv bestanden die Rekrutierungs- und Entwicklungstaktiken des KGB häufig darin, an das persönliche Ego und nationalistische Instinkte zu appellieren – insbesondere bei einflussreichen westlichen Personen. Ein gemeinsames Ziel war es, störende Stimmen zu ermutigen, Botschaften zu verbreiten, die mit den sowjetischen Interessen übereinstimmen, selbst wenn sie nicht wussten, dass sie dies taten.
Die Einbringung von vom Kreml gebilligten Themen und Erzählungen in den westlichen Diskurs durch Einflussagenten war ein zentraler Bestandteil der KGB-Mission.
Ein solcher Agent konnte sich seiner Kontrolle durch den KGB voll bewusst sein und formale Aufgaben von ihm als Teil einer Quid-pro-Quo-Agenten“-Beziehung akzeptieren – oder er konnte einfach durch eine Kombination aus Überredung, Appell an sein Ego und anderen psychologischen Manipulationen so manipuliert werden, dass er die Ziele des Kremls ausführte, wobei der Agent“ ein williger Teilnehmer war, der sich jedoch nicht vollständig bewusst war, wie er manipuliert wurde.
Eine Recherche würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu dem Schluss kommen, dass Trump durch Interaktionen mit verschiedenen sowjetischen Quellen während seiner Reise – Intellektuelle, Regierungsbeamte, Politiker, die alle sorgfältig vom KGB ausgewählt wurden und die sowjetische Interessen fördern, indem sie dieselben Argumente verbreiten, während sie gleichzeitig Trump für seine „brillante Einsicht“ schmeicheln, die es ihm erlaubt, die Dinge viel klarer zu sehen als andere Amerikaner usw. usw. – beeinflusst wurde, den Brief zu schreiben.
Aus der Sicht des sowjetischen Geheimdienstes war es für die Kultivierung des „Kunden“ nicht erforderlich, dass er Geheimagent wurde oder Ideologe war. Es genügte, dass er ehrgeizig war, sich von der Aufmerksamkeit geschmeichelt fühlte und bereit war, Kreml-freundliche Narrative wiederzugeben. In dem Kontext war Trump nicht der erste seiner Art – aber möglicherweise der nützlichste seit Armand Hammer(**).
(**) Armand Hammer – 1898-1990 – war erfolgreicher Geschäftsmann und in den ersten 2/3 des 20.Jahrhunderts ein nützlicher Mittelsmann zwischen der Sowjetunion und dem Westen. Er hatte gute und persönliche Beziehungen zu den jeweiligen Generalsekretären von Lenin bis Breschnjew.
Nachtrag 1 am 22.Mai 2025 aus der Süddeutschen Zeitung von heute:
„Dem US-Präsidenten drückt der Kremlherrscher seine Spielregeln auf, ohne dass der es merkt. Er hat große Pläne für seine Beziehung mit Trump. Um sie zu verwirklichen, braucht er bloß noch etwas mehr Zeit.“
Nachtrag 2 am 22.Mai 2025. Fareed Zakariah zitiert Michael Kimmage (Wilson Center), der in Foreign Policy schreibt:
“In Ukraine, Russia’s military is stalled while deaths and casualties mount.
Putin has no way out of the war—other than to admit a version of defeat. The Kremlin can try to hide the war’s misery from Russians but only to the extent that it can tell the war’s story. Putin cannot as effectively erase evidence of a faltering economy. Nor can he offer Russians any coherent political promise other than endless Putinism. Slowly and not yet suddenly, Russia is starting to lose the war.”
„Noch ist Polen Ukraine nicht verloren …“