Purgatorio vor Inferno
Trump ist nicht nur ein Geschichts- und wahrscheinlich auch ein Geographie-Ignorant (wie leider eine Mehrheit dort), sondern betrachtet Europa als Mieter der NATO, des amerikanischen Waffen- und Sicherheitseinkaufszentrums; als Mieter, der nie genug Miete zahlt.
Seine Stiefellecker, wie der ebenso ignorante Verteidigungsminister Hegseth, oder sein Gebiete verwechselnde und auch für Verwechslungen inzwischen bekannte Grundstücksunternehmer-Kollege Witkoff oder der etwas weniger ignorante, dafür fleißige Untertan Marco Rubio, Aussenminister, sprechen von Europa als die Schnorrer.
Wir „normale“Europäer fragen uns natürlich, ob es im Pentagon oder bei der NSA (dem Super-Sicherheitsapparat, inkl.FBI und CIA) oder im State Department erfahrene Diplomaten, professionelle Analysten und/oder Russlandexperten gibt, die Trump und Witkoff aufklären, wenn dieser im letzte Woche ausgestrahlten FoxNews-Interview des Trump-Fans Tucker Carlsson berichtet, dass Putin anlässlich Witkoffs zweitem Besuch diesem ein vom größten russischen Maler gemalten Trump-Portrait für seinen treuen Freund im Weißen Haus übergeben habe und erzählte, dass auf das Attentat auf Trump Putin in die Erlöserkirche geeilt sei und für Trump gebetet habe …
Die russland-erfahrenen Experten und Diplomaten haben wahrscheinlich berichtet: „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass Witkoff Recht hat und wir uns alle geirrt haben: Putin ist kein schlechter Kerl, er will nur einen gerechten Frieden mit der Ukraine – und wenn er Ihnen sagt, dass er in der Kirche war und für Präsident Trump gebetet hat, sollten Sie ihm glauben.“
Wir hier im lieben, klugen, fast einigen Europa dürfen daran zweifeln. Wir dürfen aber mit Tom Friedman (NYT) annehmen, daß Putin betet, „möge mir dieser Präsident lange erhalten bleiben …“
Und ob es eine emotionale gegenseitige Sympathie überhaupt und tatsächlich gibt, ist nachrangig.
Das Getue, der rote Teppich etc. … alles eher smoke screen.
Wesentlich ist wahrscheinlich die materielle Abhängigkeit (*)des aktuellen US-Präsidenten vom russischen Autokraten.
Da Trump, unglücklicherweise der mächtigste Mann im mächtigsten Imperium der Welt, vor allem an der Befriedigung seines Hauptgläubigers und Gerne-Imperialisten Putins interessiert ist, werden auch noch so unglaubliche Schmeichelen und Konzessionen der Europäer den Putin-Schuldner und asozialen Egomanen im Weissen Haus vielleicht einen Tag lang erfreuen, aber weder für die Ukraine Unterstützung bekommen noch bei der Auflage Trumps Lieblingsspielzeug, den Tarifen, ein stabiles Entgegenkommen erwarten. Die USA, wichtigster Verbündeter Europas?
Auch das ist Geschichte.
Also, entweder wir rappeln uns sehr schnell auf – die Fachleute zeigen auf ein sehr kleines Zeitfenster – und machen uns wehrhaft, werden gewissermaßen zum Stachelschwein(**) mit sehr spitzen, langen Stacheln, die dem aggressiven Bär den Appetit an Europa verderben oder … lasciate ogni speranza, voi chi entrate … (bei Eintritt in Dantes Inferno).
Ich bin zuversichtlich: wir sind immerhin im Purgatorio, oder?
(*) zur Gläubiger-Schuldner-Beziehung gibt es einiges an Dokumentation und geprüften Quellen wie die ZDF-Reportage ‚Putins Helfer‘ im Mai oder mein Mai-Blog „Trumps Russland oder Russlands Trump“).
(**) Das Stachelschwein stammt von Wolfgang Ischinger, dem erfahrenen Diplomaten und ehemaligen Leiter der MSC (Munich Security Conference). Er dachte diese Aufgabe, diese Rolle der Ukraine zu. Die ist allerdings im Gegensatz zu uns in Europa kampferfahren.