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Agree to Disagree

Roger Ailes(*): „Wahrheit ist das, was die Leute glauben.“

Ich ergänze: Menschen glauben, was sie glauben möchten. Sie glauben nicht, was sie nicht glauben wollen. Und objektive Wahrheit  gibt es vielleicht gar nicht („Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“).

Vielleicht schließe ich hier von mir auf „die Menschen“. Ja, ich lese, höre und sehe bevorzugt Inhalte und Meinungen, die ich teile.

Ich bin davon überzeugt, daß ich diese Subjektivität mit der Mehrheit der Menschen gemein habe.

Ich bemühe mich, Sachverhalte, Vorgänge und Erscheinungen objektiv zu beurteilen und füge dem sofort einschränkend hinzu: „relativ“. Niemand kann absolut objektiv urteilen, weil jeder erstens individuell (polygen) abstammt („nature“)und zweitens in unterschiedlichen Umfeldern (Familie, Milieu) personifiziert worden ist („nurture“). Beides zusammen ergibt im Verlauf dieser Ontogenese das jeweils einmalige Individuum.

Meinungen entstehen nicht nur als Reaktion of jeweils aktuelle Ereignisse und persönliche Erlebnisse der Jetzt-Zeit.  Es sind die Träume und Traumata, die aus Früh- und Kindheit weiter – meist unbewußt – wirken. Sie sind an der Ausprägung der Sicht auf die Dinge maßgeblich beteiligt.
Es hilft, sich dieses gesamten Wirkpotenzials bei allen Auseinandersetzungen – vor allem auch bei sich selbst – bewußt zu sein.

Das Ablehnen „anderer“Meinungen und die Verweigerung der Auseinandersetzung mit der „anderen“Meinung ist der Humus, auf dem Polarisation entsteht und wächst und final den gesellschaftlichen Zusammenhalt zermürbt. 

Gewinnbringend für Menschen und ihre jeweiligen Gruppen, Milieus oder Parteien mit jeweils konträren Meinungen ist (1) das disziplinierte Anhören des meinungsgegnerischen Vortrags, (2) der gesellschaftliche Konsens über den gegenseitigen Respekt und die Beherzigung von Artikel 5 des GG (Meinungsfreiheit und Recht auf eigene Meinung und Meinungsäusserung).

Zur allgemeinen Entspannung beginnt man damit zuzustimmen, anderer Meinung zu sein (agree to disagree). 

Der Ehrgeiz, den Meinungsgegner zu überzeugen, wirkt meistens kontraproduktiv; es ist besser, die Schwerkraft des schlüssigeren Arguments entspannt wirken zu lassen (Habermas‘ ‚Zwang des besseren Arguments“enthält mit „besser“bereits eine potenziell kontroverse Vorfestlegung).

Für solche Auseinandersetzungen ist auch die physische Form (ruhige, unaufgeregte Sprachmelodie) und eine konziliante Rhetorik förderlich.

Es lohnt, sich solchen Auseinandersetzungen zu stellen. Meistens nicht nur für einen von beiden. In den meisten Fällen lernt man von „anderen“Meinungen, auch ohne sie ganz oder teilweise zu übernehmen.

(*) Ailes war (gest.2017) US-amerikanischer Fernsehproduzent, 20 Jahre lang CEO  – und Erfinder – des konservativen Fernsehsenders Fox News wie wir diesen erfolgreichen Sender heute kennen und eher nicht schätzen (Meinung) und vielzitierter Chefzyniker der Republican Party. Er war Medienberater der republikanischen Präsidenten Richard Nixon, Ronald Reagan und George H. W. Bush … und inspirierte Trump & Co.

2 Kommentare

  • Heidrun

    Lieber Axel,
    Agree to Disagree als Methode oder Anleitung zu zivilisierten Umgang, wie man konsruktiv für alle Seiten diskutiert, ist eine feine Sache. Wenn man die sprachliche Auseinandersetzung und den Diskurs verlassen muß, weil die Entscheidung zu Handeln oder eben zum Nichthandeln ansteht, bringt der Austauch konträrer Ansichten selten weiter. Siehe Diskussion über das Tragen von Masken: es als vernünftiges Verhalten zu praktizieren oder es abzulehnen, weil es die persönliche Freiheit beschränkt, (wie es lange in der Schweiz praktiziert wurde.)
    Ich fand es zum Beispiel angemessen, dass Frau Merkel sich für ihren Umgang mit Putin nicht entschuldigt hat, weil es ihrer damaligen Haltung und ihrem Verständnis nach bestem Wissen und Gewissen entsprach und sie heute keine Verantwortung mehr trägt. Die Leute, die die Politik der ehem. Bundeskanzlerin aus der jetzigen Sicht geradezu verdammen, lösen bei mir Kopfschütteln aus ( Du weißt, dass ich noch nie CDU gewählt habe).Es gibt ein schönes Gedicht von Gottfried Benn über die wechselnden Aussagen,was politisches Handeln betrifft: „wann verkehrt? heute? in hundert Jahren?“ Wenn ich es finde, schicke ich es Dir.
    Herzliche Grüße
    Heidrun

  • Absalom

    Liebe Heidrun,
    hatten wir uns in Frankfurt vor etwa einem halben Jahrhundert über Jazz&Lyrik, die sagenhafte (noch) „Schallplatte“unterhalten?
    Das war damals in unserer Clique in Freiburg das Leitmedium; musikalisch und textlich, wobei es uns Banausen damals wohl weniger um die Bennsche Lyrik ging als um die Aussagen der vom Jazz-Redakteur Joachim Ernst Behrendt ausgewählten und von Gert Westphal gesprochenen Texte.
    Die von Dir zitierte Zeile entstammt dem Benn-Poem „Außenminister“. Fragmente aus „Außenminister“spricht Westphal auf dieser Collage.
    Wenn ich Jay Jay Johnson oder Dave Brubeck oder Paul Desmond höre, komme ich in Stimmung … dazu Benn und ich hebe ab …
    P.S.: Zu Deiner Antwort schreibe ich Dir noch gesondert.

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